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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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weg.«
    Wakiya hatte noch von keinem Indianer gewußt, der weit fort außerhalb der Reservation lebte. Die Vorstellung beunruhigte ihn.
    »Aber Mary wollte hier bleiben?«
    »Das wollte sie.«
    »Queenie hat Marys Bruder Harold erschossen. Ist das wahr?« »Es ist wahr.«
    »Aber Queenie hat Blumen auf Harolds Grab gelegt.« »Hat sie?«
    »Ja. Aber Mary nicht.«
    »Unsere Mary ist wie ihr Vater Isaac. Ein Kaktus ist sie. Aber Queenie ist wie die weiße Rose, so zart. Sie wollte sicher Harold versöhnen, nachdem er sterben mußte.«
    »Unsere Väter wollten auch die Geister der Feinde versöhnen, die sie besiegt und getötet hatten.«
    »Um Harold lohnt sich das aber nicht. Wenn ich etwas zu sagen hätte, so würde er in der Hölle der Geister schmoren, denn er war ein Lügner und ein Dieb geworden. Joes Pferde hatte er gestohlen. Er war ganz und gar anders als unsere Mary.«
    Bob und Wakiya hatten das Haus wieder erreicht. Wakiya verabschiedete sich von der Mutter, die mit der kleinen Schwester nach Hause wandern wollte. Es kam Wakiya nicht in den Sinn mitzugehen. Er blieb bei Inya-he-yukan. Lange schaute er der Mutter und der Schwester nach. Schüchtern, verdeckt von der frühen Einsicht in Wirklichkeiten rührte sich in ihm der Wunsch, daß Mutter und Geschwister bei ihm im Tal der weißen Felsen bleiben könnten. Er verschloß solche Hoffnung ganz in sich und lief hinüber auf die andere Talseite, wieder hinauf zu der Hütte der Kings. Untschida lächelte ihm entgegen.
    Einige Tage später, noch vor Neujahr, kam wieder Besuch. Am hellgrauen Vormittag steuerte ein dunkelgraues Cabriolet den Feldweg herauf.
    Wakiya beobachtete es vom Friedhof aus. Er saß beim Grab des alten Häuptlings Inya-he-yukan. Lange saß er dort schon; es war sein neuer Lieblingsplatz geworden. Platz des Träumens und Nachdenkens. Platz, an dem ihn keiner aufstörte, Platz, von dem er weit über das Tal und die weißen Felsen, über Prärie und Straße schauen, Büffel und Wagen beobachten konnte. Es war ein Platz, an dem den Buben vieles anfocht, aber auch ein Platz, an dem Wakiya nur die Augen zu senken und nach innen zu horchen brauchte, und schon war er fern vom Lauten und Fremden und ganz bei dem Alten, den er schlicht und voll Würde hatte Abschied nehmen sehen.
    Wakiya kannte seinen neuen Platz und sich selbst an diesem neuen Platz noch nicht ganz; er hatte eben erst angefangen, sein neues Selbst hier kennenzulernen, und er wartete, was alles an ihn herantreten würde, um von ihm fortgejagt oder ergriffen und einverleibt zu werden.
    An dem Vormittag, an dem nun das dunkelgraue Cabriolet heraufbalancierte, hatte Wakiya seine pelzgefütterte Jacke angezogen, die ihn bis über die Hüften wärmte, und seine neuen Stulpenstiefel, in denen seine Füße Platz hatten. Es war wiederum bitter kalt, aber der Schnee, den das Land brauchte, war noch kaum gefallen. Zwischen hartgefrorener Erde und frostigem Rauhreif quälte sich das welke Gras. Die Pferde im Korral mußten gefüttert und gerührt werden. Die schwarzen Rinder und die Büffel gingen über weite Strecken, um halbwegs satt zu werden; jedes einzelne Tier hatte ein Areal zur Verfügung, das in fruchtbareren Gegenden für eine kleine Farm gereicht hätte. Was Büffel und Rinder in ihrem Unterstand an Futter fanden, war nur eine Beihilfe. Die meisten der Kaninchen waren schon als Festtagsbraten geschlachtet worden; ihre Angorafelle trockneten für den Aufkäufer in New City. Nur die Zuchttiere hockten noch im Stall.
    Am Himmel ballten sich Wolken; Wakiya roch den Schneewind. Vielleicht würde es bald stürmen und schneien. Er machte sich auf, um zum Haus zu gehen. Joe hatte Dieseltreibstoff geholt und war oben bei Brunnen und Pumpe. Queenie fütterte die Pferde. Untschida reinigte das Toilettenhäuschen; sie hatte eben den Schmutzkübel fortgebracht.
    Alle beeilten sich bei der Arbeit, nicht wegen des herankommenden Besuchs, aber wegen des zu erwartenden Schnees. Wakiya wurde sich in diesem Augenblick bewußt, daß er Queenie oder Untschida hätte helfen können. Daheim war nie viel zu tun gewesen; hier gab es Arbeit. Wakiya wollte sich an die Arbeit gewöhnen, doch war ihm das stundenlange Träumen noch zu vertraut, als daß er es schnell hätte ablegen können. Es hatte noch niemand ein Wort darum zu ihm gesagt. Alle wußten, daß er ganz von selbst darauf kommen würde. Aber für heute hatte er wohl zu spät daran gedacht. Denn es begann zu stürmen, wenn es auch noch nicht schneien

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