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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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ab. Im Gegenteil. Er blieb sogar mit mir stehen, lehnte sich abermals ganz dicht zu mir und flüsterte mir »Pass auf, wo du hintrittst. Ein Ast und sie haben uns« zu. Ich konnte nur nicken. Die Hand an meinem Arm zog er mich erneut vorwärts – wenn auch langsamer als zuvor.
    Doch schon nach wenigen Schritten zögerte ich, bliebschließlich stehen. In der Luft hing ein Geruch, den ich nicht einzuordnen vermochte; stechend, düster, kalt. – Bis ich den Körper am Boden, direkt neben einem halb umgestürzten Baum entdeckte: tot. Ein bleiches, junges Gesicht. Hellblonde Locken. Die Augen standen offen. Der Kopf hing irgendwie verdreht zur Seite.
    Auch Julien war gezwungenermaßen stehen geblieben. Ein Ruck an meinem Arm brachte mich dazu, mich zu ihm umzudrehen. »Hast du ernsthaft angenommen, sie würden ausgerechnet diese Seite unbewacht lassen?«, zischte er. »Komm weiter!« Ich starrte ihn an, ohne mich zu rühren. Julien knurrte etwas kaum hörbar auf Französisch und hob ungeduldig die Schultern. »Ich konnte nicht riskieren, dass er zu schnell wieder aufwacht und uns verrät. – Jetzt komm schon. Es wird ihnen bald auffallen, dass er verschwunden ist.«
    Er machte kehrt, zog mich weiter mit sich. Ich folgte seinem Griff, schluckte beklommen. Das hier war nicht mein Freund, der mich durch den Wald führte. Ich hatte es mit dem Vourdranj zu tun, dem Killer; jener dunklen, gefährlichen Seite des Jungen, den ich liebte. Ich holte bebend Luft und machte gehorsam einen großen Schritt über einen Ast am Boden, auf den Julien mit einem leisen Laut wies. Hatte ich tatsächlich angenommen, Gérards Handlanger würden eine Seite des Anwesens unbewacht lassen? Hatte ich tatsächlich angenommen, das hier würde ohne Verluste ablaufen? – Offenbar hatte ich die Regeln dieses Spiels, so wie es die Lamia spielten, noch immer nicht begriffen. Julien hatte schon mehrmals getötet, um mich zu beschützen. Hatte töten müssen! Wie hatte ich annehmen können, dass es diesmal anders war? Ich zuckte zusammen, als etwas knapp über unseren Köpfen hinwegflatterte. – Irgendein Nachtvogel. Mehr nicht! Lamia – oder Vampire – konnten sich weder in Fledermäuse noch in Wölfe und schon gar nicht inNebel verwandeln, auch wenn diverse Bücher und Filme das behaupteten. Trotzdem brauchte mein Herz mehrere Sekunden, ehe sein Rhythmus wieder halbwegs normal war.
    Wir waren keine zehn Meter weit gekommen, als Julien unvermittelt stehen blieb und mir die Hand auf den Mund drückte, bis er sicher war, dass ich keinen Laut von mir geben würde. Reglos standen wir nebeneinander und lauschten angestrengt. Das Mondlicht tauchte die Bäume um uns herum für meine neuen Lamia-Sinne in kühles Dämmerlicht. Dazwischen rührte sich nichts. Irgendwo hinter uns schlug eine Autotür. Auch wenn ich das Wo nicht genau einordnen konnte, schien mir das Geräusch viel zu gedämpft – als hätte sich jemand Mühe gegeben, möglichst keinen Lärm zu machen. Erschrocken schaute ich zu Julien. Meine Handflächen fühlten sich feucht an. Unwillkürlich rieb ich sie an meinen Jeans. Er hatte gesagt, zwei säßen in einem Auto bei der Auffahrt. Hatte er zuvor die andere Tür gehört? Noch immer starrte er mit schmalen Augen, den Kopf leicht zur Seite geneigt, angestrengt lauschend in das Halblicht. Seine Züge waren angespannt. Im nächsten Moment presste er die Lippen zu einem harten Strich zusammen, sah mich an und bedeutete mir mit einem abrupten Nicken weiterzugehen, ehe er sich selbst wieder in Bewegung setzte, die Hand noch immer fest an meinem Arm – deutlich schneller als zuvor. Ich folgte ihm, fieberhaft darauf bedacht, kein Geräusch zu machen.
    Meine Sinne verloren ihre Schärfe, kurz nachdem wir die Richtung gewechselt hatten und in einem Bogen, einen alten, halb überwucherten Wirtschaftsweg entlang, wieder auf die Stadt zuhielten. Ich dankte stumm dem Himmel dafür, dass sie mich erst jetzt im Stich ließen, denn sonst hätte ich es auf unserem Marsch quer durch den Wald wohl kaum geschafft, Julien halbwegs leise zu folgen.
    Julien ließ mich erst los, als wir einen schmalen Betonpfad erreichten, der zwischen zwei Häuserreihen verlief. Doch auch jetzt verlangsamte er sein Tempo nicht. Im Gegenteil, er beschleunigte seine Schritte sogar noch, nachdem der Boden hier – abgesehen von der einen oder anderen achtlos weggeworfenen Dose, Rissen im Beton und vereinzelt darin wachsenden Grasbüscheln – keine Hindernisse oder verborgenen

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