Das Blut Des Daemons
Stirn von den Knien zu heben, um ihn anzusehen. Wie viele hunderttausend Gründe es auch geben mochte, für mich zählte nur eins: Wir hatten Julien zurückgelassen! In den Händen von Gérards Handlangern. Sie würden ihn zu ihrem Herrn bringen. Und der … Ich mochte es mir gar nicht vorstellen. Gérard hasste Julien so sehr. Dabei hatte er ihm bisher nur vorgeworfen, seinen Sohn Raoul zum Vampir gemacht zu haben – jetzt kam noch Bastiens Tod hinzu.
Und dank meiner Dummheit und Panik wusste Gérard auch, welchen der Zwillinge er in den Händen hatte. Ich hatte Juliens Namen ja oft und laut genug gebrüllt. Seine Handlanger hätten schon taub und dämlich zugleich sein müssen, um das nicht mitzubekommen.
Ich hatte di Uldere nicht gebeten umzukehren. Welchen Sinn hätte es gehabt? Letztlich hatte ich nur eine Chance: Vlad musste uns helfen. Der war in Paris. Genau dahin flogen wir. Es war mir egal, welchen Preis ich zahlen musste, damit Vlad und die anderen Fürsten meiner Familie ihre Macht in die Waagschale warfen, um Julien zu retten und ihn möglichst schnell aus Gérards Gewalt zu befreien. – Auch wenn ich tief in meinem Inneren ahnte – und mich davor fürchtete –, was dieser Preis sein würde. Vor allem jetzt, da ich meinen Wechsel hinter mich gebracht hatte.Aber selbst wenn es so sein sollte: Julien war jeden Preis wert.
Irgendwann war die Sonne aufgegangen. Schneller, als ich erwartet hatte, doch wenn man bedachte, dass wir ihr entgegenflogen, durchaus nachvollziehbar. Wie am vergangenen Morgen hatte sie diese entsetzliche Lethargie mit sich gebracht, das Gefühl, Blei statt Knochen in den Gliedern zu haben. Sobald die ersten Spuren ihres Lichts in die Kabine gedrungen waren, hatte ich Juliens Jacke abgestreift, mich halb unter dem Sitz zusammengerollt und sie mir über den Kopf gezogen. Und auf einmal gehört, wie di Uldere sich schnell durch die Kabine bewegte. Immer wieder verstummten seine Schritte, doch dann erklang jedes Mal ein leises Zischen. Ich konnte beinah spüren, wie es nach und nach um mich herum dämmriger wurde, bis es nach einem Moment Stille, in dem di Uldere dicht neben mir stand, endgültig dunkel war. Ich blieb einfach liegen und rührte mich nicht. Auch nicht, als er seltsam gedämpft über mir »Sie können beruhigt schlafen, Principessa. Ich habe die Rollos geschlossen und zusätzlich eine Decke über die Sitze gehängt. Das Licht wird Sie nicht erreichen. Sie sind sicher«, sagte. – Als wisse er nur zu genau, wie die Sonne sich auf meiner Haut anfühlte und wie sehr die Müdigkeit den Wunsch in mir weckte, genau das zu tun, was er gesagt hatte: schlafen.
Trotzdem war ich geblieben, wo ich war – und wie ich war: zusammengekauert halb unter dem Sitz, Juliens Jacke über dem Kopf. Jene schwarze Lederjacke, die er eigentlich immer trug; in der sein Geruch hing.
Irgendwann kehrte der Hunger nach Blut in meine Eingeweide zurück, und als meine Adern immer mehr in Flammen zu stehen und gleichzeitig zu verdorren schienen, war ich dankbar dafür, dass di Uldere sich ans andere Ende der Kabine – vielleicht sogar ins Cockpit – zurückgezogen hatteund mich mir selbst überließ. So schürten seine Nähe und die Witterung seines Blutes meine Gier nicht noch zusätzlich. Ich drückte mein Gesicht fester in Juliens Jacke, presste mir die Fäuste in den Leib und betete, dass wir bald in Paris waren. Die ganze Zeit gab es nur einen Gedanken: Bitte, Julien, halte durch!
Ich schreckte aus meinem elenden Dahindämmern, als der Jet mit einem Ruck landete. Dennoch blieb ich liegen, weitestgehend reglos. Juliens Jacke noch immer über mich gezogen. Nach wie vor müde und ohne den Willen, mich zu bewegen. Obendrein verirrt ob des Umstandes, dass mein Körper darauf bestand, dass wir gerade erst Morgen oder kurz danach hatten, während mein Gefühl mir sagte, dass die Sonne schon sehr viel höher als am Morgen stand. Selbst als Geräusche verkündeten, dass die Tür geöffnet und die kleine Treppe ausgeklappt wurde, rührte ich mich nicht. Stimmen erklangen kurz, dann kamen Schritte näher. Aber ich fuhr in die Höhe, als Arme sich plötzlich um mich legten. Zumindest versuchte ich in die Höhe zu kommen, doch eine Hand packte mich im Nacken und hielt mich fest – wie ein kleines Kätzchen in einem Sack. Der Griff war unerbittlich. Ehe ich mehr tun konnte, als ein beinah wimmerndes Keuchen von mir zu geben, veränderte er sich.
»Ganz ruhig, Mädchen, ich bin es, Vlad.« Mein
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