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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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Weg gefunden.
    Dann war dieser Fanatiker Christian von Braunschweig gekommen, und sein schöner Plan hatte sich in Luft aufgelöst. Die Stadt war belagert und gewaltsam eingenommen worden, und die Studenten, die nicht getötet worden waren, hatten sich in alle vier Himmelsrichtungen über ganz Deutschland verstreut. Sein Auftraggeber jedoch hatte sich nicht unzufrieden mit seiner Leistung gezeigt und ihn anstandslos bezahlt.
    In den folgenden Jahren war sein Ruhm als der ungreifbare Skorpion, der unfehlbare Meuchelmörder, der tödliche Rächer, der das Wort »unmöglich« nicht kannte, stetig gewachsen, bis er das Ausmaß einer regelrechten Legende angenommen hatte.
    Er hatte ganz Europa durchstreift, von England bis Spanien, von Frankreich bis Polen, von Russland bis Sizilien, und eine makabre, endlose Spur von Leichen hinter sich hergezogen. Nur die Reichen und Mächtigen konnten sich seine Dienste leisten, und es hatte nie jemand Anlass zur Klage über die Ausführung seiner Aufträge gehabt, auch wenn es häufiger vorkam, dass der Auftraggeber von heute das Opfer von morgen wurde. Doch das gehörte zu den Risiken und Ehren derjenigen, die hohe Ämter bekleiden, und keiner konnte über mangelnde Neutralität bei der Ausübung seiner Profession klagen. In dieser Hinsicht war das Schwert des Skorpions genauso gerecht und unerbittlich wie das des Erzengels Gabriel.
    Von Land zu Land, Hafen zu Hafen, Stadt zu Stadt ziehend, hatte er mit den Jahren diesen seltsamen Auftrag in Paderborn beinahe vergessen, den er nie zu Ende geführt hatte. Als einzigen in seiner gesamten Laufbahn.
    Bis vor zwei Monaten, als ein skandinavischer Kaufmann auf ihn zugekommen war und ihn mit vielen Umschreibungen und Andeutungen auf jene lang zurückliegenden Ereignisse angesprochen hatte. Nach und nach hatte er sich mithilfe der zweideutigen Bemerkungen des Fremden wieder an diesen ungewöhnlichen Auftrag erinnert.
    »Die Aufgabe ist noch nicht abgeschlossen, Skorpion«, hatte der Kaufmann schließlich gesagt.
    Diesmal musste er allerdings nicht blind zuschlagen. Der Kaufmann hatte ihm eine Liste mit Namen und Aufenthaltsorten gegeben, an denen er seine Opfer antreffen konnte.
    Der Skorpion wusste selbst nicht, warum er sich darauf eingelassen hatte. Vielleicht glaubte er tatsächlich, in der Schuld seiner unbekannten Auftraggeber zu stehen, oder, was wahrscheinlicher war, seine Standesehre ließ es nicht zu, eine Arbeit unerledigt zu lassen.
    Jedenfalls hatte er Deutschland verlassen, sobald es ihm möglich war, und war nach Rom gereist, entschlossen, den einzigen dunklen Fleck in seiner ansonsten makellosen Mörderkarriere auszuradieren.
    Während der Skorpion diesen Gedanken nachhing, hatte der Trupp den Aufgang zur Brücke erreicht und wurde wie vorhergesehen von Azzolinis Wachposten angehalten. Es war eine gut gerüstete Mannschaft, die ihrer Aufgabe anscheinend mit großer Gewissenhaftigkeit nachkam. Jedes Mal wenn der Befehlshaber Verdacht schöpfte, zog er die Zeichnung aus seinem Rock und verglich sie mit den Gesichtszügen desjenigen, den er ins Visier genommen hatte.
    Die falsche päpstliche Garde mit ihrem abgezehrten Gefangenen erfuhr keine andere Behandlung als die übrigen Römer. Die Gruppe musste stehen bleiben, und als ihr Anführer Einwände erheben wollte, wurde ihm sogleich ein von Kardinal Azzolini gezeichnetes Schriftstück unter die Nase gehalten, das die Wachen ermächtigte, nach eigenem Ermessen und ohne Rücksicht auf Privilegien zu handeln.
    »Gebt den Weg frei, im Namen der heiligen Inquisition!«, erwiderte der Anführer der Gardisten und richtete sich zu seiner ganzen, wenig imponierenden Größe auf. »Wir führen diesen Missetäter vor das Gericht des Heiligen Offiziums, damit er sich zu den schwerwiegenden Vergehen äußert, die man ihm zur Last legt.«
    »Was sind das für Vergehen?«, fragte der Offizier.
    »Ihr seid nicht befugt, das zu wissen, Signore, und uns ist es nicht gestattet, Euch solche Auskünfte zu erteilen. Das Heilige Offizium braucht seine Handlungen nicht vor weltlichen Autoritäten zu rechtfertigen.«
    »Ich muss die Identität des Gefangenen überprüfen.«
    »Tut das, aber beeilt Euch.«
    Der Offizier näherte sich dem Gefangenen, der mit gesenktem Kopf dastand, und hob sein Kinn mit dem Degengriff an. Er war ein kleiner, korpulenter Kerl mit einem runden Kopf voller krauser, öliger Locken. Ein dichter schwarzer Bart bedeckte sein Gesicht bis fast unter die Augen, über denen

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