Das Blut des Skorpions
konnte.
Nur er wusste etwas, das die Identität des Mannes enthüllen konnte, den sie monatelang, jahrelang in jedem Winkel Europas gesucht hatten.
Der Kardinal warf noch einen Blick auf den Bernstein, der auf dem Schreibtisch glänzte. Dieses kleine Schmuckstück würde ihnen Zugang zu dem so lange und so eifersüchtig gewahrten Geheimnis verschaffen.
Wenn alles nach Plan lief.
Wenn der Skorpion auf den ausgelegten Köder anbiss.
Wenn jeder seine Pflicht tat.
Wenn.
Ein forderndes Klopfen an der Tür riss den Kardinal aus seinen Gedanken.
KAPITEL XLVIII
Der Palazzo war von bescheidener Größe und lag in einer Nebenstraße eines unbedeutenden Stadtviertels. Ein Haus wie viele andere, anonym, ohne besonderen Schmuck und durchschnittlich gut erhalten.
Ein kleiner Garten umgab es an allen vier Seiten. An der Rückseite erstreckte sich das vernachlässigte Grundstück einige Hundert Schritt lang bis zu dem Hügel, der das Viertel überragte, und wurde von einem niedrigen, lang gestreckten Bau begrenzt, in dem sich die Stallungen befanden. Hinter dem Stallgebäude stieg der Hügel steil an und war mit einer dichten Macchia aus kleinen Bäumen und Sträuchern bewachsen.
Es würde nicht einfach sein, ins Haus zu gelangen, wusste der Skorpion, und viel schwieriger, wieder hinauszukommen.
Aber man konnte es versuchen.
Die Bewachung war äußerst unauffällig. Seine Widersacher hatten aus den vorhergehenden Fehlern gelernt und es vermieden, allzu sichtbare Truppen aufzustellen, aber man spürte, dass die Wachmannschaft ansehnlich und gut gerüstet war.
Von seiner Position aus konnte der alte Mörder hin und wieder einen Kopf an einem der Fenster auftauchen sehen, und zweimal im Laufe des Vormittags hatten drei Männer das Gebäude umrundet. Sie waren wie einfache Knechte gekleidet, aber man sah deutlich, dass es sich um eine Tarnung handelte. Der gleichmäßige Schritt, die aufrechte Haltung und die Art, wie sie ihre Arbeitsgeräte hielten, verrieten die Soldaten. Darüber hinaus ließen die Bescheidenheit des Hauses und der schlechte Zustand des Gartens nicht eben auf eine große Zahl von Dienstpersonal schließen.
Fieschi war vollkommen sicher, dass Pater Eckart an diesem unauffälligen Ort in Sicherheit gebracht worden war, und Fieschi war der bestinformierte Mann der Stadt. Es bestand kein Zweifel daran, dass seine Quellen zuverlässig waren.
Der Genueser war mitten in der Nacht in das Zimmer des Skorpions gekommen, als er gerade das Haus verlassen wollte. Er wäre schon weg gewesen, wenn nicht ausgerechnet in dem Moment, als er sich hinausschleichen wollte, ein Reiter in den Hof galoppiert wäre, sodass er seine Flucht hatte aufschieben müssen.
Er hatte beschlossen zu warten, bis die von dieser unerwarteten Ankunft ausgelöste Unruhe sich gelegt hatte und die anderen Bewohner wieder zu Bett gegangen waren, aber als er seine wenigen Habseligkeiten zusammensammelte, war Fieschi eingetreten.
Der Genueser hatte sofort bemerkt, dass sein Gast fertig angekleidet war, und fein gelächelt.
»Ich halte es für keine gute Idee, jetzt abzuhauen«, sagte er einfach.
Der Skorpion hatte sich die Antwort erspart, da seine Absicht offensichtlich war.
»Messere, ich sehe, dass Ihr kein großes Vertrauen zu mir habt. Aber Ihr irrt Euch, glaubt mir.«
Der Mörder sah seinem Gegenüber schweigend in die dunklen, magnetischen Augen.
Fieschi schüttelte den Kopf. »Ich kann es Euch nicht verübeln, an Eurer Stelle würde ich mich genauso verhalten. Doch ich darf Euch mitteilen, dass sich seit gestern einiges verändert hat. Die… wie soll ich sagen… Voraussetzungen sind jetzt vollkommen anders. Was sowohl Euch als auch mir zugutekommen wird.«
Der Skorpion, der kurz den Blick abgewandt hatte, taxierte ihn erneut.
»Ich hatte kurz den Auftraggeber erwähnt, der mich mit Eurer Rettung beauftragt hatte, aber seinen Namen nicht genannt. Das war zu jenem Zeitpunkt nicht angebracht, wie Ihr verstehen werdet. Doch jetzt haben sich die Bedingungen meiner Übereinkunft mit ihm geändert. Ich habe gerade eine gute Nachricht aus der Toskana erhalten, welche die Art der Beziehung, die ich mit dieser unangenehmen Person zu unterhalten gezwungen war, radikal umkehrt. Ich erspare Euch die Einzelheiten, die Euch nur langweilen und mich schmerzen würden. Jedenfalls kann ich Euch anvertrauen, dass es sich nicht um eine freiwillige Übereinkunft handelte. Um es deutlich zu sagen, ich bin erpresst worden, doch das Druckmittel ist
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