Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
Vom Netzwerk:
Nächstenliebe bekommen, aus Ergebenheit gegenüber denen, die die Geschicke der Christenheit lenken? Für alles muss man bezahlen! Also gut, wie viel wollt Ihr?«
    »Bitte missversteht mich nicht, Euer Eminenz, aber der Besitz des Gegenstands, über den wir sprechen, hat mich während der letzten Tage in vielerlei Gefahren gebracht. Sonst hätte ich mir nie erlaubt, über seine, wenn auch zeitweise, Abtretung zu verhandeln.«
    »Ihr habt recht, Messere«, räumte Azzolini ein. »Obwohl Ihr nichts davon wusstet, habt Ihr durch Euer Verhalten der Kirche bereits einen großen Gefallen getan, und es ist nur gerecht, dass Ihr dafür eine Anerkennung erhaltet. Ich denke, diese Börse voll Dukaten wird Euch mehr als ausreichend für die Unannehmlichkeiten entschädigen.« Geschwind griff der Maler nach der kleinen Börse aus Ziegenleder und wog sie mit kritischem Ausdruck in der Hand, um den Inhalt abzuschätzen. Dann zog er lächelnd den Bernsteinanhänger aus der Rocktasche, den Zane ihm in Beatrices Auftrag zurückgegeben hatte, und legte ihn auf den Schreibtisch.
    Der Kardinal nahm ihn und betrachtete ihn ausführlich.
    »Ein erstaunliches Schmuckstück«, bemerkte er schließlich. »Ich würde es gern Pater Kircher zeigen und hören, was er dazu sagt.«
    »Ich glaube, Pater Kircher hat den Bernstein schon früher einmal zu Gesicht bekommen – jedenfalls nach der Bestürzung zu urteilen, die er an den Tag legte, als ich ihm den Anhänger brachte, nachdem er in meine Hände geraten war«, berichtete Fulminacci, dem das erfolgreiche Verhandeln einen gewissen Übermut verliehen hatte.
    »Er kennt ihn, sagt Ihr?«, erkundigte sich der Kardinal verblüfft.
    »Ich kann es nicht mit Sicherheit behaupten, aber als ich ihm den Bernstein zeigte, reagierte er, als sähe er ihn nicht zum ersten Mal. Genauer gesagt wurde er sogar von einem plötzlichen Unwohlsein befallen, und es musste ein Arzt gerufen werden, um ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, ihn danach zu fragen, aber es erschien mir offensichtlich, dass ihm das Schmuckstück nicht ganz unbekannt war.«
    »Jetzt, da Ihr es erwähnt, fällt mir ein, dass auch ich ein seltsames Verhalten bei Pater Kircher beobachtet habe, besonders nach dem Mord in der Oper. Nichts Konkretes wohlgemerkt, aber ich hatte den Eindruck, dass er sehr viel mehr weiß, als er preiszugeben bereit ist. Als hüte er in der Tiefe seiner Seele ein schreckliches, unsagbares Geheimnis.«
    Durch das gemeinsame Interesse an dem Gesprächsgegenstand war die Atmosphäre weniger förmlich, beinahe zwanglos geworden, wie bei einer Unterhaltung zwischen alten Freunden. Was den Großmeister nicht wenig verwunderte, der doch ständig in der feinen Gesellschaft verkehrte und immer wieder feststellen musste, wie sehr jeder Umgang mit hochgestellten Persönlichkeiten von einem strengen Verhaltenskodex bestimmt wurde. Er wusste noch, wie es beinahe zu einem diplomatischen Zwischenfall gekommen wäre, als man bei der Ankunft des neuen französischen Gesandten festlegen musste, ob dieser sich in Gegenwart von Königin Christine setzen durfte oder nicht. Und nun sprach Kardinal Azzolini ganz unbefangen mit einem einfachen, mittellosen Maler!
    Die Lage musste wirklich ernst sein, wenn ein so erlauchter Kirchenfürst sich zu einem vertrauten Gespräch mit einem Mann aus bescheidenen Verhältnissen herabließ.
    Der scheinbar gleichberechtigte Austausch war jedoch von kurzer Dauer. Weil der Kardinal merkte, dass er ein Übermaß an Vertraulichkeit zuließ, oder einfach weil er glaubte, alles Wissenswerte erfahren zu haben, nahm er wieder seine Rolle als Kirchenfürst ein und stellte damit die gewohnte Distanz zu seinen Gesprächspartnern her.
    »Ihr könnt jetzt gehen«, sagte er mit dem ihm eigenen Gleichmut. »Falls ich Euch noch brauche, werde ich Euch rufen lassen.«
    Die beiden Freunde verbeugten sich und verließen das Arbeitszimmer.
    »Ein sympathischer Mensch, unser Kardinal, was?«, sagte der Maler, als sie außer Hörweite waren.
    »Tja, du weißt doch, wie die Aristokraten sind, was hast du erwartet? Als du anfingst, wegen der Herausgabe des Bernsteins zu feilschen, habe ich das Zittern bekommen. Nicht viele dürfen es sich erlauben, so mit Azzolini zu sprechen. Seine Reaktion hätte auch anders ausfallen können.«
    »Ich habe nur beherzigt, was du selbst immer predigst: Es gibt im Leben nichts umsonst. Für alles, was du willst, musst du bezahlen. Und um es mal mit brutaler

Weitere Kostenlose Bücher