Das Blut des Skorpions
für den Bischof«, bestätigte Beatrice.
»Also gibst du zu, mich von Anfang an belogen zu haben.«
»Nanni, sprich bitte nicht in diesem Ton mit mir. Ich habe dir ein paar Dinge verschwiegen, das ist wahr, aber ich war dir gegenüber nie unehrlich. Ich wollte dich nicht in diese Sache mit hineinziehen – du selbst hast dich kopfüber reingestürzt, als du den Bernstein gestohlen hast, erinnerst du dich? Von da an habe ich beschlossen, dass es sicherer ist, dich im Auge zu behalten. Ein guter Entschluss, wie sich zeigte, als Zane dich aus diesem Hinterhalt heraushauen musste, in den du aus eigener Dummheit hineingetappt bist.«
»Ach, dann ist jetzt also alles meine Schuld?« »Es ist niemandes Schuld, nur eine Verkettung unglücklicher Zufälle. Es steckte kein Plan oder gar eine Verschwörung gegen dich dahinter.«
»Bleibt die Tatsache, dass du mich angelogen hast.«
»Jetzt reicht’s aber. Ich sehe keinen Sinn darin, dieses Gespräch fortzusetzen. Sieh zu, dass du dich beruhigst und keinen weiteren Unfug anstellst. Gehab dich wohl.«
Mit schnellen Schritten ging die junge Frau zu den anderen hinüber, die sich gerade lebhaft unterhielten.
Allein geblieben setzte sich der Maler auf eine Chaiselongue in der Nähe, stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ den Kopf hängen.
Wieder einmal hatte Beatrice ihm ein anderes Gesicht gezeigt.
Fulminacci spürte Wut in sich aufsteigen – eine dumpfe, schmerzliche Wut, die er kaum unterdrücken konnte. Zugleich jedoch fühlte er sich unwiderstehlich von der Freundin angezogen, und diese Anziehung wurde durch die Enthüllungen, die sie ihm gemacht hatte, keineswegs gemindert, sondern eher noch verstärkt.
Selbst wenn es ihm gelänge, auch diese Wut, diese zigste bittere Pille herunterzuschlucken, welche Zukunft erwartete ihn an der Seite einer derart unabhängigen Frau?
Vorausgesetzt natürlich, dass Beatrice es überhaupt in Erwägung ziehen würde, die Zukunft mit ihm zu teilen, was es noch herauszufinden galt.
Trotz alledem konnte er sich nicht vorstellen, sie in den Jahren, die da kommen würden, nicht an seiner Seite zu haben. An diese Möglichkeit wollte er gar nicht denken.
Es würde eine finstere Zukunft werden, so oder so.
Stets würde er die Arme nach einer Person ausstrecken, die sich ihm entzog; stets unter dem Verdacht leiden, dass seine Gefährtin ihm irgendein schreckliches Geheimnis verschwieg; stets auf der Hut sein für den Fall, dass sie wieder etwas ausheckte, das sie beide in Schwierigkeiten brachte.
Die Hölle auf Erden, das war es, was ihn erwartete. War das die Mühe wert?
Fulminacci hob den Kopf und warf einen verstohlenen Blick auf die schlanke, biegsame Gestalt der Freundin, die gerade charmant mit dem kleinen Augustinerpater plauderte, als hätte sie keine Sorgen auf der Welt.
Ja, sagte sich der Maler, alles in allem war es die Mühe wert.
Von diesem Entschluss gestärkt stand er auf, zwang sich zu einem Lächeln und ging auf die kleine Gruppe zu.
An diesem Abend würde er tun, was in seiner Macht stand, und was den Rest betraf, so wusste nur Gott, was das Schicksal für ihn bereithielt.
KAPITEL LVI
Fuchtele nicht herum und zeig vor allem nicht mit dem Finger auf die Leute«, flüsterte Melchiorri. »Sorg einfach dafür, dass man dich nicht erkennt.«
Nach dem heftigen Wortwechsel und den gegenseitigen Vorwürfen, die auf die Begegnung mit Bischof de Simara gefolgt waren, war Beatrice dem Maler aus dem Weg gegangen, der daraufhin Trost in der Gesellschaft des alten Freundes gesucht hatte.
Mit dem Eintreffen der ersten Gäste hatte sich auch die Diskussion um die Wachsmaltechniken allmählich erschöpft, und man hatte sich anderen Dingen zugewandt.
Wie immer stand die Reihenfolge der Ankunft in einem umgekehrten Verhältnis zu der Wichtigkeit der Eingeladenen.
Die Ersten waren die sogenannten »Gnadenfälle«, das heißt, diejenigen, die sich wegen ihrer bescheidenen Herkunft oder ihres geringen Vermögens glücklich schätzen konnten, zu diesem großen Ereignis überhaupt eingeladen worden zu sein.
Die Gästeliste war seit Anfang Februar von der Königin und ihren engsten Mitarbeitern zusammengestellt worden. Jeder Name war dabei aufmerksam geprüft worden. Die erste Liste, die über dreitausend Namen enthalten hatte, war vom Hofpersonal einer ersten Auslese unterzogen und dann ihrer Hoheit wieder vorgelegt worden, die eine zweite, engere Auswahl getroffen hatte. Auf diesen Vorgang war eine sorgfältige Prüfung
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