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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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beobachtete der Maler, wie die Schlange langsam vorrückte. Bald würden sie an der Reihe sein. Trotz des kühlen Windes schwitzte er unter seinem Umhang und dem langen, falschen Bart.
    Als der gefürchtete Moment da war, schenkte Beatrice dem Türwächter ihr schönstes Lächeln und gab ihm seelenruhig ein Blatt, das fast genauso aussah wie die Papiere ihrer Vorgänger.
    Der Zerberus betrachtete es eingehend, drehte es ein paarmal in seinen haarigen, schinkengroßen Pranken herum und ließ sie dann grunzend passieren.
    Kalter Schweiß lief Fulminacci über den Rücken, als er an ihm vorbeiging, und beim Anblick der riesigen schwieligen Hände am Gürtel konnte er ein Schaudern nicht unterdrücken.
    Als sie drinnen waren, zischte er seiner immer noch lächelnden Begleiterin zu: »Wie hast du das gemacht? Was hast du ihm gegeben? Zeig mir diesen verflixten Passierschein!«
    Beatrice reichte ihm das Blatt, und er sah, dass es nicht mehr war als eine herausgerissene Seite aus einem kleinen Messbuch für ein paar Soldi.
    Fulminacci fehlten die Worte, und er rang nach Luft, während er das Blatt vor der belustigten Freundin schwenkte.
    »Der Wächter kann weder lesen noch schreiben«, erklärte Beatrice. »Er wurde nur genommen, weil er ein Cousin zweiten Grades eines Leibdieners von Kardinal Barberini ist, der ihn empfohlen hat. Da er kompletter Analphabet ist, kann er natürlich nur das äußere Erscheinungsbild des Papiers begutachten. Vor einiger Zeit habe ich herausgefunden, dass die Passierscheine mit den gleichen Lettern gedruckt werden wie diese einfachen Messbücher, deren Seiten auch das gleiche Format haben. Ich habe mir schon bei anderen Gelegenheiten auf diese Weise Einlass verschafft.«
    Fulminacci drehte sich noch einmal nach dem gebeugten, muskelbepackten Rücken des Pförtners um und dankte dem Himmel für die Unwissenheit, die in der Hauptstadt der Christenheit vorherrschte.
    Hinter der Bühne ging es hektisch zu, alles lief wild durcheinander.
    Die Komparsen in ihren Kostümen wurden von einem kleinen Heer von jungen Schneiderinnen belagert, die noch die letzten Änderungen vornahmen. Gruppen von Musikern suchten vergeblich nach einem ruhigen Eckchen, um ihre Instrumente zu stimmen, Scharen von Tänzerinnen und Tänzern drängten sich zwischen den anderen hindurch, um sich für ihren Auftritt in Position zu stellen, und aus den Garderoben hörte man das dissonante Trillern der Sänger beim Einsingen.
    Mitten in diesem Getümmel lief der Bühnenmeister herum, ein kleines Männchen mit spitzen Gesichtszügen, und versuchte, ein Minimum an Ordnung hineinzubringen.
    »In ein paar Minuten geht der Vorhang auf! Wo wollen denn diese Tänzer hin? Die sind erst in der dritten Szene des zweiten Akts dran, sie dürfen dort nicht stehen, sonst behindern sie den Auftritt des Chors! Und was macht ihr hier, seid ihr etwa noch nicht fertig? Seht euch nur eure Kostüme an, die hängen ja wie Säcke an euch! Wo sind die Schneiderinnen?«
    Zwei junge Mädchen, fast noch Kinder, kamen schüchtern herbeigelaufen.
    »Mein Gott, macht etwas mit diesen Kostümen! Rafft sie hinten zusammen und steckt sie mit einer Nadel fest. So sehen sie aus wie Vogelscheuchen! Meine Assistenten, wo haben sich meine Assistenten versteckt? Lodovico, geht und seht nach, was aus den Chorsängern geworden ist. Heiliger Josef, in fünf Minuten müssen sie auftreten!«
    Der Bühnenmeister war die Achse, um die sich dieses ganze Rad aufgeregter menschlicher Geschäftigkeit drehte. Sein Blick schnellte von hier nach da, bemerkte jede Einzelheit, strafte die Trägen und ermutigte die Eifrigen. Nichts entging seiner fieberhaften Erregung, und so war es unvermeidlich, dass ihm schließlich auch die drei falschen Türken auffielen, so unauffällig sie sich auch zu benehmen versuchten.
    »Wer sind diese Türken? Wer zum Teufel hat die hierhergebracht? Türken kommen heute Abend nicht vor. He, ihr da, ja, euch meine ich, her zu mir!«
    Es blieb den dreien nichts anderes übrig, als dem Befehl des schäumenden Bühnenmeisters Folge zu leisten.
    »Wer hat euch aufgetragen, diese lächerlichen Kostüme anzuziehen? Gott, was für eine Narretei! Was soll ich mit drei Türken in einer Oper, die im alten Griechenland spielt, hä? Los, redet, ich habe keine Zeit zu verlieren!«
    Bei diesem wütenden Verhör fiel sogar Beatrice, die sich sonst auch in schwierigen Situationen zu helfen wusste, nur einsilbiges Gestammel ein.
    Ihre zaghaften Worte wurden sogleich von

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