Das Blut des Skorpions
Andererseits würde ihn die Gesellschaft eines Bühnenangestellten sicher vor unangenehmen Fragen und Überraschungen bewahren.
Der Geck setzte seine Lobrede auf die schönen Künste fort, was Fulminacci dazu nutzte, ihn mit einem leichten, aber konstanten Druck seiner rechten Hüfte auf das abseits gelegene Kulissenlager zuzulenken.
Der Gehilfe bemerkte das Manöver, leistete aber keinen Widerstand, sondern schien ausgesprochen erfreut darüber und ließ sich willig führen.
Sobald sie den Lagerraum betreten hatten, der auf den ersten Blick leer schien, schob Fulminacci den Riegel vor. Das Geräusch des Einrastens wurde von einem entzückten Auflachen des Galans begleitet, dessen vermeintlich schmeichelndes Gebaren ein jähes Ende fand, als ihn ein kräftiger Haken des Malers direkt am Kinn traf. Ohne etwas zu merken, ging er vom Wachen in den Schlaf über.
Fulminacci riss sich den Helm vom Kopf, der sein Gesicht in eine Maske aus Schweiß verwandelt hatte.
Als er sich umsah und nach einer Schnur suchte, mit der er seinen bewusstlosen Verehrer fesseln konnte, tauchte hinter einem Frontgiebel im ionischen Stil der zerzauste Kopf Valocchis auf.
» Mijn God , was ist hier los?«, rief der Flame in seiner Muttersprache. Hinter ihm ließ sich die halb nackte Gestalt eines rothaarigen Mädchens erahnen.
»Valocchi, heilige Muttergottes, dich habe ich gesucht!«
» Godverdamme , Fulminacci, konntest du nicht warten, bis ich hier fertig bin?«
»Pietro, es geht um Leben und Tod«, beharrte sein Freund, der indessen ein Stück Schnur gefunden hatte und die Handgelenke des Assistenten zusammenband. »Eine Sache, die sich nicht aufschieben lässt. Tut mir leid, wenn ich dich im falschen Moment störe, aber als ich vor zwei Tagen bei dir war, habe ich eine Zeichnung liegen lassen, die wahrscheinlich in deiner Skizzenmappe gelandet ist. Ich muss sie unbedingt zurückhaben. Mein Leben ist in Gefahr. Jetzt habe ich keine Zeit, aber wenn das hier überstanden ist, erkläre ich dir alles.«
Seufzend zog Valocchi ein mit Farbe bekleckstes Hemd über und bedeutete Fulminacci, ihm in die andere Ecke des Zimmers zu folgen, weiter weg von den Ohren der jungen Frau, die sich mit einem enttäuschten Schnauben wieder zwischen die Bühnengerätschaften legte.
»Die Skizzenmappe ist oben, im vierten Rang, in einer kleinen Kammer, in der ich meine Werkzeuge aufbewahre. Geh rauf und sieh nach.«
»Das Problem ist, dass sie mich suchen. Wenn mich die Gehilfen des Bühnenmeisters erwischen, bin ich geliefert.«
»Ich kann jetzt nicht mitkommen, ich muss hier hinter der Bühne bleiben. Wenn sie mich brauchen und nicht finden, gibt es Ärger, und sie zahlen am Ende nicht, das verstehst du doch, oder?«, erwiderte der Flame.
»So viel verlange ich gar nicht. Gibt es keine Möglichkeit, unbemerkt in den vierten Rang zu gelangen? Einen Dienstbotenaufgang oder so etwas?«
»Hier, nimm diesen Schlüssel, er ist für die Kammer. Du gehst jetzt zur rechten Bühnenseite – hinter dem Bild eines Tempels findest du eine kleine Tür, die zu einer Treppe führt. Die steigst du hinauf und kommst so ungesehen in den vierten Rang. Kann ich jetzt weitermachen?«
»Danke, Pietro, du bist ein wahrer Freund. Das werde ich dir nicht vergessen.«
Fulminacci fesselte noch die Fußknöchel des nach wie vor bewusstlosen Assistenten und knebelte ihn. Dann setzte er seinen Helm wieder auf, öffnete die Tür des Lagers einen Spaltbreit und spähte in alle Richtungen, ob die Luft rein war.
Auf der Hinterbühne tummelten sich immer noch zahlreiche Menschen, aber niemand achtete auf seine Ecke. Der Moment war günstig, um sich davonzumachen.
Er schlüpfte hinaus, hielt sich an die Beschreibung des Freundes und fand auch sofort die fast unsichtbare, hinter einer festen Kulisse verborgene Tür. Es war kein Problem, sie zu öffnen, und dahinter herrschte absolute Dunkelheit.
Mit einem Seufzer der Erleichterung tauchte er in die schützende Finsternis des kleinen Treppenabsatzes ein, wo er sich einen Moment Ruhe gönnte. Seine Schultern und die Halsmuskeln schmerzten von der Anspannung und vom Tragen des verdammten, einen halben Meter hohen Helms, den er jetzt abnahm, um sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen.
Als er sich besser fühlte, tastete er mit dem Fuß nach der ersten Stufe, fand sie und begann den Aufstieg.
Es war eine Wendeltreppe, eng und niedrig. Er war versucht, Schwert und Schild, die ihn nur behinderten, zurückzulassen, aber seine Vernunft
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