Das Blut des Skorpions
der schrillen Stimme des Bühnenmeisters übertönt.
»Was ist eure Szene? Antwortet, los!«
So in die Enge getrieben, sah die junge Frau keinen anderen Ausweg, als den spitzen Absatz ihres feinen Schuhs in den Fuß des aufgebrachten Männchens zu bohren. Dieses stieß einen durchdringenden Schrei aus und begann, auf einem Bein herumzuhüpfen und sich mit beiden Händen den malträtierten Fuß zu halten.
Mehrere Leute kamen herbeigelaufen, um zu sehen, was passiert war, und diese Konfusion nutzten die drei und verschwanden in einer Ecke hinter ein paar zerlegten Bühnenbildern.
»Diese Türkenkostüme waren wohl doch nicht der beste Einfall«, bemerkte Fulminacci, der um ein Gestell herumlugte und das Geschehen im Saal verfolgte.
»Da muss ich dir ausnahmsweise recht geben«, stimmte Beatrice zu. »Am besten haltet ihr euch hier versteckt, während ich nach einer passenderen Aufmachung suche. In dieser Verkleidung fallen wir auf wie ein bunter Hund.«
Die beiden Männer zogen sich in den unsicheren Schutz einiger Vorhänge zurück, die von einem kleinen Gerüst herabhingen, und ihre Gefährtin entschwand zum Kostümfundus.
Ein paar endlos scheinende Minuten vergingen. Hin und wieder spähten der Maler oder Zane in den Kulissenraum, wo einige Gehilfen des Bühnenmeisters herumliefen und offenbar nach ihnen suchten.
Als die Männer an ihrem Versteck vorbeikamen, drückten sich die beiden flach an die Wand. Zum Glück waren die Gehilfen jedoch so sehr in ein privates Gespräch vertieft, dass ihre Wachsamkeit bestenfalls oberflächlich genannt werden konnte. Weder Fulminacci noch der Slawe verstanden genau, worum es in dem Streitgespräch ging, nur dass ein gewisser Jacopino sich angeblich wie eine Straßenhure benahm.
Die Zeit schlich dahin. Die Wärme, die von den vielen Menschen und brennenden Lichtern ausging, wurde in ihren Kostümen langsam unerträglich. Besonders der Maler hielt es hinter seinem großen Bart aus schwarzer Wolle kaum noch aus und beklagte sich leise, aber mit erstaunlicher Ausdauer darüber.
Endlich kam Beatrice zurück. Unter dem Arm hielt sie ein dickes Bündel, das sie mit einiger Mühe zu ihren Füßen entlud.
»Rasch, zieht euch um, es sieht gerade niemand her.«
Die beiden Männer befreiten sich von ihren einengenden Kostümen und zogen ihre neuen Verkleidungen aus dem Sack.
»Es war nicht einfach, etwas für Zane zu finden«, sagte Beatrice. »Das einzig Passende, was ich beschaffen konnte, sind diese Tunika und ein Paar Sandalen.«
Die Tunika erwies sich als etwas knapp, sowohl in der Länge als auch in der Weite, sah aber einigermaßen akzeptabel aus. Sein Gesicht verbarg Zane hinter einer Maske aus Pappmaschee, wie auch die Chorsänger sie trugen.
Fulminacci dagegen bekam die Rüstung eines Hopliten, eines altgriechischen Fußsoldaten, komplett mit Beinschienen, Lederröckchen und Helm mit Helmbusch.
Abfällig musterte der Maler das ihm zugedachte Kostüm.
»Ich habe diese Sachen ausgesucht, weil der Helm einen Nasensteg und Backenlappen hat, sodass dein Gesicht zum größten Teil bedeckt ist.«
Der Brustpanzer war etwas zu eng, weshalb viel Gezerre und eine entsprechende Anzahl von Flüchen nötig waren, um die Schnallen zu schließen.
»Sag mal, Nanni, du hast zugenommen, stimmt’s?«, neckte ihn Beatrice, während sie die Riemen festzog.
Weil er dazu die Luft anhalten musste, stieß der Maler seine unfreundliche Antwort bloß zwischen den Zähnen hervor.
Doch als er dann Schild und Lanze in der Hand hielt, beides aus versilbertem Pappmaschee, und den imposanten Helm aufgesetzt hatte, unterschied er sich kaum noch von den vielen anderen Komparsen, die hinter der Bühne herumliefen.
Für sich selbst hatte Beatrice ein schlichtes Nymphengewand und ein anmutiges, mit künstlichen Blumen geschmücktes Krönchen ausgesucht.
Während des Umkleidens erhaschte Fulminacci einen kurzen Blick auf die Gefährtin und stellte fest, dass sie nicht nur ein hübsches Gesicht, sondern auch einen ausgesprochen anziehenden Körper besaß. Das war ihm noch nie aufgefallen – kein Wunder bei den weiten, unförmigen Kleidern, die sie normalerweise trug. Obwohl ihn diese neue Erkenntnis nicht sonderlich erstaunte, löste sie doch eine unerklärliche Unruhe in ihm aus.
Seine Beziehung zu Beatrice war stets von einer aufrichtigen, zuweilen beinahe ruppigen Kameradschaft geprägt gewesen. Nie hatte er sie als eine begehrenswerte Frau angesehen, sondern immer als eine Art kleine
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