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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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Schwester, um die er sich ab und zu kümmerte und von der er sich so manche Standpauke über seinen nicht eben tadellosen Lebenswandel anhören musste. Sein Sinnieren währte nur einen Augenblick, denn die Zeit drängte und erlaubte keine Tagträumereien, aber er nahm sich vor, wieder darauf zurückzukommen, sobald er aus diesem vermaledeiten Schlamassel heraus war.
    Es wäre nicht klug gewesen, das Versteck zu dritt zu verlassen. Mit Blicken verständigten sie sich darüber, nacheinander hinauszugehen und in verschiedenen Richtungen nach dem verflixten Valocchi zu suchen.
    Beatrice huschte als Erste davon, bald gefolgt von dem riesenhaften Zane. Fulminacci ging als Letzter, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass niemand zu ihm herüberblickte. Die Oper würde gleich beginnen, und das hektische Durcheinander von vorhin schien sich ein wenig gelegt zu haben. Immer noch liefen viele Leute hinter den Kulissen herum, aber es ging etwas geordneter zu. Der Bühnenmeister hatte seinen Platz in der Mitte des Raums beibehalten, erteilte seine Anweisungen und korrigierte noch ein paar Kleinigkeiten. Seine Stimme klang jetzt mindestens eine halbe Oktave tiefer, was darauf hindeutete, dass sich seine Aufregung weitestgehend gelegt hatte.
    Der Maler versuchte sich unbemerkt nach hinten durchzuschlängeln, wo die Kulissen aufbewahrt wurden und er hoffentlich Valocchi antreffen würde, der dort letzte Hand an sie legte.
    Das Gesicht hinter dem Helm verborgen und Schild und Lanze fest in den Händen, mischte er sich unter den Strom der Komparsen. Er hatte sein Ziel fast erreicht, als ihn jemand ansprach.
    »Wo willst du hin, mein hübscher junger Soldat?«

KAPITEL XIX
     
    Zuerst wollte Fulminacci die Stimme überhören, zumal er nicht sicher war, ob er gemeint war, aber die Hand auf seinem Arm ließ keinen Zweifel zu, und er war gezwungen, sich umzudrehen.
    Er sah sich einem der Gehilfen des Bühnenmeisters gegenüber, einem bartlosen jungen Mann mit auffallend rundem Gesicht, das im Kontrast zu seiner schmächtigen Statur stand. Sein Blick war neugierig und unverschämt.
    Der Gehilfe legte eine Hand ans Kinn und neigte den Kopf schräg, als wollte er sein Gegenüber begutachten, und dabei breitete sich ein maliziöses Lächeln auf seinen fleischigen, geschminkten Lippen aus, die aus dem weiß gepuderten Gesicht hervorstachen.
    »Was für ein stattliches Mannsbild, was für ein schöner Krieger!«, sagte er. »Wie ist es möglich, dass du mir bei den Proben nicht aufgefallen bist?« Er machte eine vage Handbewegung in Richtung der am linken Rand aufgestellten Komparsengruppe. »Wie kann ich dich in dieser Horde von Flegeln nicht bemerkt haben?«
    Unter seinem vergoldeten Pappmascheehelm, der innen mit dickem Filz ausgeschlagen war, begann der Maler kräftig zu schwitzen, teils der Hitze wegen, zum größeren Teil aber aufgrund der zweideutigen Anspielungen dieses affektierten Assistenten.
    »Ich… äh… springe für einen Freund ein. Er hat Tertianafieber und muss im Bett bleiben.«
    Der Assistent hakte sich mit einer Vertraulichkeit, die Fulminacci gar nicht behagte, bei ihm unter und spazierte langsam und ohne die Augen von ihm abzuwenden mit ihm einher, als hätten sie alle Zeit der Welt.
    »Weißt du«, fuhr der geschminkte junge Mann fort, »es ist ja so schwierig, Komparsen mit den richtigen Voraussetzungen zu finden, um die Helden des Altertums zu verkörpern, mit der physique du rôle , wie die Franzosen sagen. Sieh dich nur um: nichts als gedrungene, unwissende, vulgäre Kerle, die bloß der Bezahlung wegen kommen und keinerlei Interesse an der Kunst haben. Du bist ganz anders, das erkennt man gleich. Schon wie du die Rüstung trägst und den Schild hältst, deine stolze, kühne Haltung, all das zeigt, dass du aus einem anderen Holz geschnitzt bist, ein Mann von Persönlichkeit mit einer echten Liebe zur Kunst. Ah, die Kunst! Unser Glück und unser Verderben. Eine mühevolle Existenz, die vollkommene Hingabe und große Opferbereitschaft verlangt, aber welche Befriedigungen hält sie für einen schöpferischen Geist bereit! Ich kann viel für dich tun, verstehst du? Ich bin der erste Assistent von Maestro Corbelli, dem Bühnenmeister. Ein Wort von mir genügt, um dich nach oben zu bringen, ganz nach oben!«
    Während dieser schmeichelnden Rede befühlte der Assistent den in der Tat gut entwickelten Bizeps des peinlich berührten Malers, der verzweifelt nach einer Möglichkeit suchte, sich aus der Affäre zu ziehen.

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