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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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sagte ihm, dass es besser war, sie mitzuschleppen. Er würde sie noch brauchen, falls ihn oben jemand fragte, was er hier zu suchen habe. Denn dann konnte er behaupten, ein Komparse zu sein, der sich im Gewirr der Gänge und Flure verlaufen hatte.
    Bei jedem Schritt fluchend erreichte er endlich den vierten Rang, wo er ein Ohr an die Tapetentür hielt und lauschte.
    Von der anderen Seite drang das Fußgescharre und Stimmengewirr der Besucher zu ihm, die sich gegenseitig aufforderten, ihre Plätze einzunehmen.
    Fulminacci beschloss zu warten, bis die Musik einsetzte, um dann unbemerkt zu der Foyerkammer eilen zu können.
    Zu jener Zeit war es gang und gäbe, dass sich die Zuschauer während der Aufführung auch anderweitig beschäftigten. Es wurde gegessen und getrunken, geredet, Karten gespielt und häufig auch amourösen Vergnügungen nachgegangen. Nur die berühmtesten Arien oder gelungensten Orchesterstücke zogen die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Aus diesem Grund schoben die Impresarios zahlreiche Zwischenspiele wie Balletteinlagen oder heitere allegorische Szenen ein, um die Leute zu unterhalten oder ihnen Gelegenheit zu geben, sich den verschiedensten anderen Dingen zu widmen. Es ging also immer sehr lebhaft zu in den Theatern, und Momente der Stille und Konzentration waren eher selten. Fulminacci hatte genug Opern besucht, um mit diesen Gegebenheiten vertraut zu sein.
    Die Ouvertüre war einer dieser Momente, in dem alle ruhig auf ihren Plätzen blieben. Gewisse Connaisseurs behaupteten nämlich, dass man bereits an der Ouvertüre erkennen könne, ob die Oper ein Erfolg würde, weshalb niemand sie verpassen wollte.
    Der Maler wartete geduldig hinter der Tür, bis er die ersten schmetternden Töne hörte.
    Dann öffnete er sie einen Spalt, um zu sehen, ob der Flur auch wirklich leer war, und wollte gerade hinausschlüpfen, als er am anderen Ende eine verhüllte, sich verstohlen bewegende Gestalt erblickte. Er hielt inne und zog die schon halb aufgerissene Tür wieder zu, bis dieser letzte Nachzügler aus dem Weg wäre, wobei er nicht umhinkonnte, etwas Vertrautes am Gang des Mannes zu bemerken. Seine Haltung war leicht gebeugt, doch nicht das hatte ihn stutzen lassen, sondern das kaum merkliche Nachziehen des rechten Beins. Er war sicher, dieses leichte Hinken erst kürzlich irgendwo gesehen zu haben, wenn ihm auch nicht gleich einfiel, wo und unter welchen Umständen. Dann war die vermummte Gestalt auch schon über die Treppe, die zum unteren Stockwerk führte, verschwunden.
    Fulminacci stieß die Tür auf und huschte mit flinken, geräuschlosen Schritten auf die Kammer zu.

KAPITEL XX
     
    Das unaufhörliche Schwatzen der Königin begann Kardinal Azzolini heftige Kopfschmerzen zu bereiten, die er mit häufigem Lächeln und gelegentlichen amüsanten Bemerkungen zu überspielen versuchte. Er konnte es kaum erwarten, dass die Aufführung ihren Anfang nahm. Sogar das Dröhnen der Blechblasinstrumente würde eine Erleichterung für sein geplagtes Gehör bedeuten.
    Endlich schien sich etwas auf der Bühne zu regen. Der Vorhang ging auf, und das Orchester beendete das langwierige Stimmen der Instrumente. In ebendiesem Moment öffnete sich die Tür der Loge, und herein kam ein vornehm gekleideter Mann mittleren Alters mit ernstem, würdevollem Gesichtsausdruck.
    »Majestät«, sagte der Herr und verneigte sich tief, »ich bitte vielmals um Verzeihung für meine unentschuldbare Verspätung, aber ich wurde von schwerwiegenden und unerwarteten Entwicklungen aufgehalten. Die Zukunft zu deuten und Horoskope zu erstellen erfordert höchste Konzentration, und der Ritus, den ich heute Abend in Eurem königlichen Interesse zelebriert habe, hat sich als länger und komplizierter erwiesen, als vorausgesehen. Wie Ihr wisst, darf der Vorgang der Beschwörung nicht unterbrochen werden, wenn er einmal begonnen wurde, da man sich andernfalls ernsten Gefahren aussetzt.«
    Der Mann verbeugte sich erneut, um die Vergebung der Königin zu erbitten, die sie ihm mit einem knappen Nicken und einem nachsichtigen Lächeln gewährte.
    Azzolini musterte den Neuankömmling flüchtig, der nun auf einem Klappsitz hinter der Königin Platz nahm. Er kannte ihn nur allzu gut.
    Baldassarre Melchiorri, Ehrwürdiger Großmeister des höchsten Ordens der Erleuchteten, so nannte er sich. Er war der Wahrsager und Leibastrologe der Königin von Schweden. Ein Aufschneider und Hochstapler ohne Zweifel, einer der vielen Scharlatane, die an

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