Das Blut des Skorpions
gehandelt werden musste. Die Nachrichten verbreiteten sich immer unkontrollierter, und früher oder später würde eine Andeutung ein ihm feindlich gesonnenes Lager erreichen. Seine Gegner, deren Zahl nicht gering war, würden frohlocken, wenn sie diesen Schwachpunkt entdeckten. Sie würden ihn dafür büßen lassen und seine Karriere ruinieren.
Mit diesen Gedanken beschäftigt hatte der Kardinal nicht bemerkt, dass die Ouvertüre zu Ende war und der Chor der Soldaten die Bühne betreten hatte.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Königin, die vollkommen hingerissen zu sein schien.
Fulminacci erreichte auf Zehenspitzen die Kammer, wobei er sorgsam darauf achtete, dass die Ausrüstung, die er mit sich herumschleppte, nicht gegen die Wände schlug.
Er musste eine Weile an dem Riegelschloss herumhantieren, und als die Tür endlich aufging, schlüpfte er aufatmend hinein und zog sie leise hinter sich zu.
Drinnen war es zur Abwechslung mal wieder stockdunkel.
Der Maler lehnte seine falschen Waffen an die Wand, entledigte sich des Helms und tastete mit ausgestreckten Armen die Umgebung nach etwas ab, womit er Licht machen konnte. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er die Umrisse verschiedener Gegenstände im Raum ausmachen, was ihn aber nicht daran hinderte, wiederholt gegen irgendwelche Gerätschaften zu stoßen, die kreuz und quer auf dem Boden verstreut lagen. Schließlich gelangte er zur anderen Wand, wo seine Hände auf den groben, staubigen Stoff eines Vorhangs trafen, den er sogleich aufzog.
Hinter dem Vorhang gab es ein kleines Fenster, das auf den Platz vor dem Theater hinausging. Der Platz wurde von den Fackeln und Öllampen der Kutschen erhellt, die dort auf die Rückkehr ihrer Besitzer warteten, und dieses Licht genügte dem Maler, um sich zurechtzufinden.
In der Mitte des Raums thronte ein großer Arbeitstisch, eine einfache Holzplatte auf zwei Böcken, auf der ein Sammelsurium von Malwerkzeugen angehäuft war: Pinsel, Spachtel, Tassen für die Farben, Gläser, Töpfchen mit Pigmenten und anderer Kleinkram.
Auf einem der um den Tisch verteilten Schemel entdeckte der Maler die Mappe mit Valocchis Skizzen. Er nahm sie und legte sie auf die Arbeitsplatte, wobei er inständig hoffte, dass seine Zeichnung sich tatsächlich unter denen des Freundes befand. Er würde es nicht ertragen, all diese Risiken umsonst eingegangen zu sein. Auf dem Tisch stand auch eine kleine Öllampe, und er machte sich mit dem Feuerstahl zu schaffen, bis es ihm gelang, den Docht anzuzünden.
In fieberhafter Eile ging er die Blätter durch. Vor seinen Augen zogen Skizzen von Säulen, Giebeln und Büsten vorbei und auch, zu seiner nicht übermäßig großen Überraschung, einige Zeichnungen ausgesprochen erotischen Charakters, die nicht viel mit der Gestaltungsarbeit des Flamen zu tun hatten. Trotz des anspruchsvollen Auftrags, die Bühnenbilder zu entwerfen, hatte Valocchi Zeit für ein wenig Zerstreuung gefunden. Interessiert betrachtete Fulminacci die fantasievollen Verrenkungen, denen der Freund die wohlgeformten weiblichen Körper unterworfen hatte, und fand sie gut ausgeführt. Allerdings fiel ihm auf, dass Valocchi eine ausgeprägte Vorliebe für üppige Frauen hatte, die er persönlich nicht teilte.
Er hatte den Stapel schon fast durchgeblättert, als er endlich seine eigene Zeichnung fand.
Jetzt brauchte er nur noch zur Hinterbühne zurückzukehren und mit Beatrice und Zane einen Weg zu finden, das Theater unbeobachtet zu verlassen.
Das war leichter gesagt als getan.
Vor allem musste er erst einmal diese hinderliche Verkleidung loswerden. Auch wenn die Vorsicht ihm dazu riet, hatte er keine Lust, diese steile Wendeltreppe noch einmal im vollen Ornat eines achäischen Kriegers hinunterzusteigen.
Er kramte ein wenig in der Kammer herum, bis er in einer Ecke einen Stapel mit lackbeschmierten Kleidungsstücken fand, vermutlich Valocchis Arbeitskleidung. Der Freund würde es ihm bestimmt nicht übel nehmen, wenn er sich etwas davon auslieh. Er befreite sich nicht ohne Mühe aus seinem Kostüm und probierte die Kleider an. Valocchi war mindestens eine Handbreit größer als er und um einiges korpulenter, sodass er lange suchen musste, bis er eine Hose herausfischte, die ihm nicht bei jedem Schritt herunterzurutschen drohte. Er benutzte ein Stück Schnur als Gürtel und band sie damit um die Taille fest. Über seine kurze Tunika zog er einen fleckigen und an mehreren Stellen zerrissenen Rock
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