Das Blut Von Brooklyn
vor.
– Wir müssen sie töten, Axler. Jetzt.
– Sei ruhig.
Stretch reckt den Hals noch weiter vor.
– Ja, bring uns um. Bring erst mich um, den Einzigen, der euch sagen kann, wer er ist, wo er herkommt und was er hier will. Dann bring ihn um, den Kerl aus Manhattan . Du wirst schon sehen, dann ist die Kacke richtig am Dampfen. Dein Papa wird echt stolz auf dich sein. Nein, Moment. Wenn ich’s mir recht überlege, wird er wohl stinksauer. So gut kenne ich den Mann. Pass auf, ich weiß, wie wir die ganze Geschichte so hindrehen können, dass sie auch für euch ein einigermaßen gutes Ende nimmt.
Selig berührt Axlers Schulter.
– Hör nicht auf ihn, wir müssen es jetzt tun. Und wir dürfen nicht lügen. Wir müssen die Strafe hinnehmen, die wir verdient haben. Wir haben gesündigt, Axler.
Axler nimmt das Messer von Stretchs Kehle.
– Bringt sie in die Autos.
– Axler!
Er rammt das lange Messer genau unterhalb des Kinns in Seligs Kehle. Die Spitze durchbohrt seinen Nacken an der Schädelbasis. Einen Augenblick lang hebt er ihn vom Boden auf, und seine Beine führen einen irren Tanz in der Luft auf. Schließlich lässt er ihn von der Klinge hinunter zu Boden gleiten.
Die anderen treten einen Schritt zurück. Niemand protestiert.
Er wischt das Messer ab.
– Jetzt müssen wir noch ein Grab schaufeln. Für Selig, der tapfer an der Seite seines Bruders Chaim gestorben ist.
Und sie tun, was er sagt.
Seine Mama ist stinksauer.
– Axler, was hast du mit dem Wagen angestellt?
– Gar nichts, das muss man nur verspachteln.
– Sieh dir das nur an. Das ist ein Loch. Eine Höhle. Diese Beule ist ein Abgrund in meinem Kotflügel. Das kannst du nicht verspachteln.
– Wir nehmen ihn ab, spachteln, schmirgeln, grundieren und lackieren ihn, und schon ist der Wagen so gut wie neu.
– Was redest du da, wie neu? Das wird nie so gut wie neu. Der Wagen ist kaputt. Sieh ihn dir an, sieh ihn dir nur an. Was ist passiert?
– Wir sind mit diesem Lieferwagen zusammengestoßen.
– Mit diesem Lieferwagen zusammengestoßen? Das kommt davon, wenn man am Sabbat Auto fährt. Ein Unfall. Die Strafe Gottes.
– Das war nicht Gott. Wir sind mit Absicht in ihn reingefahren.
– Mit Absicht? Ihr habt meinen Cadillac mit Absicht ruiniert?
– Ich bin nicht gefahren. Es war Rachel.
– Rachel ist gefahren? Du stiehlst meinen Wagen, gibst ihn Rachel und sagst ihr, sie soll einen Lieferwagen rammen?
– Ich hab ihn nicht gestohlen.
– Nicht gestohlen? Wie nennst du es, wenn du ungefragt mein Auto nimmst, jemand anderen damit fahren lässt und ein Wrack daraus machst? Nennst du das etwa borgen ?
– Mama, bitte.
Die dicke alte Frau hebt die Arme, dreht sich um und geht wieder ins Haus.
– Natürlich, ihr seid beschäftigt. Was geht es mich an, was ihr in meinem Haus tut, oder ob ihr mein Auto klaut, oder wie ihr es zu Schrott gefahren habt? Tut, was ihr tun müsst.
Axler hat die Hände in die Hüften gestemmt und beobachtet sie.
– Scheiße.
Er tritt gegen den verbeulten Kotflügel des Wagens seiner Mutter.
– Scheiße.
Dann sieht er mich an. Ich liege zwischen den beiden Autos auf dem Zementboden der Garage.
– Findest du das lustig oder wie?
Ich sage nichts, da ich immer noch den Lederriemen zwischen den Zähnen habe.
Er deutet auf mich.
– Nehmt ihm das ab.
Jemand schneidet die Riemen durch, die um meinen Kopf geschlungen sind.
Ich bewege meinen Kiefer, verzichte jedoch darauf, jemanden zu beißen.
Axler sieht mich an.
– Ich hab dich gefragt, ob du das lustig findest.
Mit der Zunge befühle ich den Schorf im Mundwinkel.
– Nein, gar nicht.
– Gut.
– Ich bin nur überrascht.
Er schiebt sich den Hut aus der Stirn.
– Weshalb?
Ich werfe einen Blick zu der Tür, hinter der seine Mama verschwunden ist.
– Dass diese Witze über jüdische Mütter alle genau ins Schwarze treffen.
Er fängt an, in mein Gesicht zu treten.
Okay, es ist nie besonders schlau, sich über jemandes Mutter auszulassen.
– Axler!
Er hört auf, in mein Gesicht zu treten.
– Papa.
Durch das Blut in meinen Augen sehe ich einen hemdsärmeligen Mann aus dem Haus kommen. Dunkle Locken umkränzen eine beginnende Glatze, die auch die Kippa nicht völlig verdecken kann. Er hat ein Buch in der Hand und den Zeigefinger als Lesezeichen zwischen die Seiten gesteckt.
Er sieht, dass ich und Stretch auf dem Boden liegen. Er sieht die blutbefleckten jungen Männer, die nervös von einem Fuß auf den anderen treten.
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