Das Blut von Magenza
Doch darum scherte sich Griseldis keinen Deut.
Meister Bertolf betrachtete dagegen ihre schlanke Gestalt mit Wohlgefallen und gab sich zugänglicher. „Ich verstehe, was du meinst. Aber so weite Ärmel sind eher unüblich.“
„Vielleicht hier in Mainz, aber am Hofe trägt man sie so“, behauptete sie forsch.
„Dein Wunsch ist mir Befehl“, sagte er devot. „Lass uns zunächst den Stoff aussuchen. Welches Material und welche Farbe möchtest du?“
„Da es für das Frühjahr ist, soll es nicht so schwer sein.“
„Ich hole eine Auswahl“, sagte Bertolf und kam wenig später mit edlen Tuchen und einigen Seidenballen zurück. Die Seide gefiel Griseldis nicht so gut wie in dem Geschäft des Juden, deshalb entschied sie sich dagegen. „Die kommt nicht infrage.“
„Gut, dann schau dir diesen hier an. Er ist robust, aber dennoch leicht und unterstreicht die Farbe deiner Augen“, meinte er und präsentierte ihr einen azurblauen Stoff. „Aber dieses Rot steht dir ebenso gut und auch ein ganz heller Ton wie dieser elfenbeinfarbene harmoniert mit deiner Haut. Allerdings neigt er sehr zum Verschmutzen.“
Griseldis begutachtete die Stoffe, strich mit den Fingern darüber, entrollte die Ballen und hielt sich die unterschiedlichen Farben an ihr Dekolleté.
„Welche schmeichelt mir am meisten?“, fragte sie ungeniert.
Bertolfs Wangen hatten sich inzwischen gerötet. „Blau oder Rot“, räusperte er sich.
Griseldis drehte sich zu Dithmar und unterbrach sein Verkaufsgespräch. „Was ist deine Meinung?“
Die füllige Dame wurde nun laut. „Du bist nicht dieeinzige Kundin und er bedient gerade uns und nicht dich“, blaffte sie erbost.
„Verzeih mir, aber ich kann mich schwer entscheiden. Was meinst du denn“, fragte sie Dithmar, die empörte Frau ignorierend.
„Blau“, entgegnete er verlegen und widmete sich dann wieder seiner Kundschaft.
„Wenn du mir einen guten Preis machst, kaufe ich beide“, handelte sie.
„Komm mit nach nebenan, damit ich Maß nehmen und den Bedarf berechnen kann“, schlug er vor und ging voran.
Sie folgte ihm in den Raum, in dem Tuchballen nach Qualität und Farbe sortiert lagerten.
Bertolf ergriff ein Band und forderte sie auf, die Arme abzuspreizen. Danach maß er ihre Taille. Dabei kam er ihr sehr nahe und Griseldis entging nicht, wie er ihren Duft einsog und schwerer zu atmen begann.
„Gestattest du mir eine Frage?“, meinte sie zögerlich.
„Nur zu“, erwiderte Bertolf.
„Habe ich dir etwas getan oder warum schaust du immer so böse, wenn du mich siehst?“
Er versicherte ihr, dass sie sich irrte. „Das bildest du dir ein.“ Er ging jedem weiteren Disput aus dem Weg, indem er den Preis berechnete. „Als Zeichen meines guten Willens gewähre ich dir einen Rabatt“, sagte er und nannte Griseldis eine Summe, die sie akzeptierte.
Sie suchte sich noch die passenden Bänder heraus und beglich dann ihre Rechnung. „Wo bekomme ich eigentlich Spangen?“, erkundigte sie sich.
„Dazu musst du in die Nuschelgasse gehen. Dort sind die Geschäfte der Spangenmacher“, erklärte er ihr.
Dithmar war inzwischen allein im Verkaufsraum und legtesorgfältig einen Ballen zusammen.
Bertolf übergab Bertram wortlos den Einkauf und herrschte dann seinen Sohn wenig freundlich an: „Hast du etwas verkauft?“
„Ja, Tuch für ein Beinkleid.“
„Gut. Auf Wiedersehen, Griseldis“, verabschiedete er sich deutlich entgegenkommender als er sie empfangen hatte, und verschwand im Lagerraum.
Griseldis wurde das Gefühl nicht los, dass der Tuchmachermeister direkt hinter der Türöffnung stand, um sie und Dithmar zu belauschen. Sie wollte deshalb den Laden verlassen, aber er hielt sie zurück. „Wieso bist du gekommen?“, fragte er leise.
Sie schickte Bertram nach draußen und antwortete ihm dann: „Ist das nicht offensichtlich?“
„Ist dein Einkauf der einzige Grund?“
„Nein, das bist du“, flüsterte sie entwaffnend ehrlich. „Warum habe ich seit Tagen nichts von dir gehört?“
Er schaute verlegen zu Boden und erwiderte genauso leise: „Ich konnte nicht. Meinem Vater passt es nicht, dass wir uns sehen. Er macht mir unablässig Vorwürfe und findet immer neue Vorwände, um mich von dir fernzuhalten.“
„Eben hat er sich aber recht freundlich benommen.“
„Das heißt nichts, du bist eine Kundin.“
„Weiß er von dem Kuss?“
Dithmar wurde rot bis über beide Ohren. „Nein, ich habe ihm nichts gesagt und gesehen hat uns auch keiner, so bleibt
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