Das Blut von Magenza
Albrecht hatte versucht ,ihn wenigstens zum Trinken zu bewegen, doch er reagierte auf keinerlei Anrede. Wüsste er es nicht besser, könnte er glauben, ein Dämon habe Besitz von ihm ergriffen. Doch Albrecht kannte die Anzeichen: bald würde Emich in seine übliche Starre fallen und in ihr verharren. Und tatsächlich sackte sein Herr wenige Augenblicke später ohnmächtig in sich zusammen. Albrecht holte einen anderen Diener und gemeinsam legten sie den Grafen ins Bett. Er versuchte ihm etwas Brühe einzuflößen, doch es gelang nicht. Die Kiefer waren so fest aufeinandergepresst, dass sie sich nicht einmal einen Spalt breit öffnen ließen. Seine Augen waren weit aufgerissen und bewegten sich unruhig hin und her. Auch die Finger waren noch immerineinander verhakt und würden es bleiben, bis sein Herr aus seiner Katatonie erwachte.
Diese todesgleichen Anfälle dauerten unterschiedlich lange. Manchmal währten sie nur Minuten, manchmal hielten sie Stunden oder ganze Nächte an. Nichts konnte ihn dann zurückholen, weder die Stimme des Dieners noch die seines Weibes oder die seines Beichtvaters. Genauso plötzlich wie der Anfall gekommen war, lösten sich die Muskelversteifungen auch wieder. Dann verließ er sein Bett, als sei nichts geschehen, konnte sich aber an die zurückliegenden Stunden nicht erinnern.
Der Diener entfachte ein Feuer, was sein Herr unter normalen Umständen missbilligte, und setzte sich in einen Sessel, den er an das Bett zog. Dieses Mal stellte er sich auf eine längere Wache ein. Doch mitten in der Nacht schreckte er hoch. Die Körperhaltung Emichs war noch immer unverändert, aber jetzt bewegte er seine Lippen. Seine Augen blickten starr geradeaus und waren auf einen festen Punkt gerichtet. Ein Schauer lief über Albrechts Rücken, denn die Stimme seines Herrn klang seltsam fremd. Um der Situation das Gespenstische zu nehmen, zündete Albrecht noch mehr Fackeln und Kerzen an. Der sanfte Lichtschein drang nun bis in den letzten Winkel des Raums und vertrieb die Düsternis. Er setzte sich wieder und lauschte den undeutlichen Lauten, die allmählich immer klarer wurden. Er konnte zwar keinen Sinn darin erkennen, aber Emich wiederholte immer wieder: „Deus lo vult“.
Burg
„Du darfst unter keinen Umständen aufstehen!“, ordnete der Physicus mit besorgter Miene an. „Die Blutungen sindzwar nur leicht, aber wenn sie sich verschlimmern, könntest du das Kind verlieren. Hast du sonst irgendwelche Beschwerden, Schmerzen vielleicht?““
Reinhedis war so bleich wie das Bettlaken, unter dem sie lag. Die Diagnose des Arztes machte ihr große Angst. „Schmerzen habe ich keine, nur das Übliche wie saures Aufstoßen und schwere Füße.“
„Hast du eine Erklärung für die Blutungen?“
„Nein“, erwiderte sie und verschwieg die Kraftanstrengungen, die sie aufgeboten hatte, um die Tür zum Geheimgang zu bewegen. Gerhard durfte auf keinen Fall davon erfahren.
„Noch besteht kein Grund zu allzu großer Sorge. Hin und wieder kommen solche Blutungen vor, und wenn du meine Anweisungen befolgst, geht gewiss alles gut. Hat dich möglicherweise etwas erschreckt oder hast du dich über die Maßen erregt?“
Reinhedis beharrte darauf, dass nichts dergleichen vorgefallen war. Sie kannte die Ursache für die Blutungen genau, würde sie aber weder dem Arzt noch Gerhard verraten. „Ich sagte doch schon, dass ich keinerlei Erklärung habe“, log sie, ohne rot zu werden.
„Ich werde dir eine Geburtshelferin schicken, die viel Erfahrung mit Schwangeren und Entbindungen hat. Sie wird dir beistehen, bis das Kind geboren ist. Und du setzst keinen Fuß vor das Bett“, betonte er noch einmal.
Das war Reinhedis gar nicht recht. Wie sollte sie ihre Nachforschungen fortsetzen, wenn sie liegen bleiben musste? Aber das Kind hatte absoluten Vorrang. Ihm durfte nichts geschehen. Wenn es tatsächlich ein Junge würde, ließe Gerhard Griseldis bestimmt fallen und würde sich wieder ganz ihr zuwenden.
„Noch etwas“, fuhr der Arzt fort. „Es wäre auch gut, du hättest dein Bett bis zur Niederkunft für dich allein. Absolute Ruhe, vor allem während der Nacht, wird dir guttun. Du wirkst erschöpfter als bei deinen anderen Schwangerschaften und deshalb sollte jede Störung von dir ferngehalten werden.“
Das gefiel ihr noch weniger. Sie fragte sich, wie sie die Tage und erst recht die Nächte überstehen sollte, ohne zu wissen, was Gerhard tat. Allein der Gedanke, dass er und Griseldis beisammen waren,
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