Das Blut von Magenza
sodass Gerhards und Ruthards Männer ein Spalier für die Anrückenden bilden konnten. Aber bald besannen sie sich eines Besseren und machten ihrer Wut über dieses Täuschungsmanöver Luft.
„Das sind keine von uns! Die wollen sich nur in die Stadt flüchten“, schrie einer erbost.
Augenblicklich rotteten sich die Kreuzzügler zusammen und richteten drohend ihre Waffen gegen sie. Bolko ergriff ebenfalls sein Schwert. Dabei entglitt ihm unbeabsichtigt die Fahne und fiel zu Boden.
„Seht, er wirft unser Zeichen in den Schmutz und schmähtdamit Gott!“, empörte sich einer. „Sie haben uns etwas vorgegaukelt, nur um unbehelligt durch unsere Reihen zu gelangen. Wollt ihr euch das bieten lassen?“, stachelte er seine Mitstreiter an, die lautstark seine Empörung teilten. „Und sie nehmen all den Proviant mit sich. Seit Tagen darben wir, während sie Essen in Hülle und Fülle haben. Wir wollen endlich einmal wieder satt werden! Brüder, lasst sie nicht von dannen ziehen, ohne dass sie mit uns teilen! Seht doch, wie gut sie genährt sind! Auf, mir nach!“, rief er und erhob seine Sense.
Inzwischen hatte der Zug fast das Stadttor erreicht. Der Hauptmann der bischöflichen Wache reagierte besonnen und ließ sich nicht durch die aufgebrachte Menge aus der Ruhe bringen. „Die Frauen, Kinder und Alten gehen zuerst in die Stadt, sie nehmen auch das Vieh mit. Jeder Mann aus eurem Dorf, der eine Waffe führen kann, verstärkt unser Spalier! Aber haltet euch zurück, es soll kein Blutvergießen geben!“
Graf Bolko, Friedrich, Hanno, die übrigen Männer und selbst der Pfarrer reihten sich ein. Er hob sein Gebetbuch entschlossen vor seine Brust, in festem Glauben, die Kreuzfahrer so zur Besinnung zu bringen.
Alheyt fühlte sich angesichts der bedrohlichen Lage überfordert und wusste nicht, was zu tun war. Sie traute sich nicht, vom Wagen zu steigen. Yrmengardis dagegen zögerte keinen Augenblick und handelte entschlossen. Sie bewaffnete sich mit einer Heugabel, die auf dem Fuhrwerk lag, und stieg ab. Dann forderte sie die Frauen, die zu Fuß gingen, sowie die Viehtreiber und Wagenlenker auf, ihr zu folgen. „Lasst euch nicht einschüchtern! Wir sind nicht so weit gekommen, um uns jetzt alles entreißen zu lassen! Bleibt dicht beisammen, nehmt die Kinder zwischeneuch.“
Ihre Tatkraft zeigte Wirkung und bald gelangten die ersten Frauen und Kinder sowie ein Teil der Wagen in die Stadt. Hanno hatte Yrmengardis zuvor eingeschärft, umgehend zum Anwesen des Kämmerers zu gehen, sollten sie getrennt werden. Doch sie dachte nicht daran, die anderen sich selbst zu überlassen. Ihr Platz war hier an der Seite der Battenheimer und sie würde ihn erst verlassen, wenn alle in Sicherheit waren. Deshalb blieb sie hinter dem Tor stehen und trieb die Eintreffenden an, zügig weiterzugehen, damit sie den Durchgang nicht blockierten. Je mehr Vorräte in der Stadt verschwanden, umso mehr erregten sich die Pilger. Inzwischen bedrängte ein bewaffneter Pulk die Soldaten, die versuchten, sie mit gezückten Schwertern auf Abstand zu halten. Das schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken, denn sie forderten immer beharrlicher ihren Anteil an der Nahrung.
Der Hauptmann wollte sie mit Worten besänftigen. „Hört auf! Seht doch ein, dass wir euch mit unseren Waffen und Schilden überlegen sind. Keiner will, dass ein Unglück geschieht.“
Doch die Wut machte die Kreuzfahrer taub. „Erst, wenn ihr uns einen Ochsen gebt.“
„Könnt ihr dafür bezahlen?“, erwiderte der Hauptmann.
„Nein. Trotzdem verlangen wir einen. Er steht uns zu!“
„Das sehe ich anders. Der Bauer, der das Tier aufzog, hat ein Anrecht auf Entschädigung. Ansonsten ist es Raub!“
„Wir haben dennoch ein Recht darauf.“
„Welches Recht sollte das sein?“, fragte Burckhart in der Absicht, Zeit zu schinden.
„Göttliches. Immerhin ziehen wir in seinem Namen nach Jerusalem und jeder Christ hat die Pflicht, uns zuversorgen.“
Der Hauptmann verspürte keine Lust, in diesen theologischen Disput einzusteigen. „Wo steht das geschrieben? Es gilt nach wie vor: Ware gegen Geld.“
„Hör auf, uns hinzuhalten. Wir verlangen einen Ochsen oder wenigstens eine Ziege“, forderte der Wortführer unbeirrt.
Noch war nicht alles Vieh durch das Tor gebracht und sie gaben die Hoffnung auf Beute nicht auf. Einem Kreuzfahrer gelang es schließlich, die Reihen zu durchbrechen. Er schwang einen Knüppel und wollte damit auf eine Kuh einschlagen. Gerade noch
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