Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
Vom Netzwerk:
Mauer und reichte vom Benediktinerkloster auf dem Jakobsberg im Süden bis fast an das Ufer des Rheins im Norden. Kein freies Stück Boden war mehr zu sehen. Die Zelte der Adligen und Ritter setzten bunte Farbtupfer in der brauntönigen Masse des Fußvolkes, dessen Dach derHimmel war.
    Es war Emich, der mit seinem Erscheinen die Stadt in Angst und Schrecken versetzte. Sein Ruf als kompromissloser Frömmler, der angeblich in göttlichem Auftrag handelte und der von Visionen heimgesucht wurde, war inzwischen fast allen Bürgern bekannt. Vor allem Ruthard und die Herren des Domkapitels empfanden seinen Anspruch als Anmaßung – wenn nicht gar Blasphemie.
    Am späten Mittag klopfte ein Bote an eines der Stadttore und überreichte der Wache ein Schreiben seines Herrn. „Gib das eurem Erzbischof. Emich von Flonheim erwartet seine Antwort.“
    Während der Soldat mit der Nachricht zum erzbischöflichen Palast eilte, rief Emich seine Getreuen zu sich ins Zelt, um mit ihnen das weitere Vorgehen zu besprechen. „Wie ihr euch selbst überzeugen könnt, wird Mainz nicht leicht zu erobern sein. Die Stadt ist wehrhaft und wir werden uns auf eine Belagerung einstellen müssen. Aber egal wie lange es dauert, wir harren aus.“
    Dafür erntete er nicht nur Zustimmung. „Mainz ist zwar reich und es gibt etliche Schätze zu holen, aber ich frage mich, wie wir das durchstehen sollen. Denkst du, dass es überhaupt fallen wird?“, fragte Wilhelm von Melun nachdenklich.
    „Das lässt sich schwer vorhersagen. Mainz hat schon einmal einer mehrmonatigen Belagerung standgehalten. Nur durch bloßes Abwarten ist die Stadt so schnell nicht einzunehmen. Wir müssen sie aushungern, was Wochen oder Monate dauern kann. Dies wiederum hängt ganz davon ab, ob die Mainzer auf unser Kommen vorbereitet waren und sich Vorräte anschaffen konnten oder ob wir sie überraschten“, meinte Emich.
    Drogo von Nestle, der für seine Gerissenheit bekannt war, äußerte sich: „Ich habe schon einige Belagerungen mitgemacht und dabei eines gelernt: Je geschlossener die Reihen der Belagerten sind, umso länger halten sie durch. Dann sind sie auch bereit, zu hungern und große Einschränkungen hinzunehmen. Sind sie sich aber uneins, steigt ihre Unzufriedenheit und der Druck auf die Stadtoberen wächst.“
    Der Herr von Salm führte Drogos Gedanken zu Ende. „Du denkst, wir hätten schnelleren Erfolg, wenn wir einen Keil zwischen die Bürger trieben? Doch wie sollte uns das gelingen? Wir haben keine Verbündeten in der Stadt, die das für uns tun könnten.“
    „Und wir können auch keine hineinschleusen“, ergänzte Hartmann von Dillingen.
    Emich ergriff wieder das Wort und sagte voller Pathos: „Drogo, du magst recht haben, aber der Herr hat uns hierher geführt, ohne dass wir auf Schwierigkeiten gestoßen wären. Er wird uns auch den weiteren Weg weisen. Ich vertraue ganz auf ihn. In seinem Namen werden wir den Sieg erringen.“
    Drogo, der Emichs Ansicht nur bedingt teilte und dem dessen Frömmelei allmählich suspekt wurde, erwiderte skeptisch: „Ich bewundere deine Zuversicht und dein unerschütterliches Gottvertrauen. Doch als Mann des Krieges ist mir das zu wenig. Ich verlasse mich lieber auf mein Schwert und das Heer.“
    „Was nutzt es dir, wenn du vor verschlossenen Toren stehst?“, entgegnete ihm Emich. „Ich dagegen zweifle nicht! Habe Geduld! Jesus selbst ist mir letzte Nacht wieder in einer Vision erschienen und gab mir durch Zeichen zu verstehen, dass er uns den Weg ebnen wird. Seine Anweisungen sind klar und deutlich. Wir müssen nur glauben undalles wird sich fügen“, sagte er mit leicht gereizter Stimme.
    Da die Ritter inzwischen Bekanntschaft mit dem aufbrausenden Temperament des Leiningers gemacht hatten, beließen sie es für den Moment dabei und behielten ihre Ansichten für sich. Das fiel vor allem Wilhelm schwer, denn für ihn waren Visionen Einbildungen eines verwirrten Geistes. Er bevorzugte konkrete Tatsachen. Während der letzten Wochen wuchsen seine Zweifel gegenüber Emich stetig. Dessen Fanatismus nahm mittlerweile krankhafte Züge an, nicht nur was seine nächtlichen Erscheinungen betraf, sondern auch seine Haltung gegenüber den Juden. Er war von schier unglaublichem Hass gegen sie erfüllt. Sobald ihn irgendetwas auch nur entfernt an das Volk Israels erinnerte, verhärtete sich sein Gesicht und er stieß wüste Drohungen aus. Aber Wilhelm wollte keinen offenen Konflikt riskieren. Solange der Leininger noch tragbar

Weitere Kostenlose Bücher