Das Blut von Magenza
wir noch aufbringen!“
„Das ist viel und müsste reichen“, mischte sich der Kämmerer eifrig ein, dem es kaum gelang, sein Erstaunen über den immensen Reichtum der jüdischen Gemeinde zu verbergen. „Habt ihr euch Gedanken gemacht, was mit eurem Schmuck geschieht, den ihr bei euch habt? Was ist, wenn die Pilger eindringen? Sie könnten ihn euch rauben. In unserer Schatzkammer wäre er sicherer“, fuhr er fort, wobei ein Funkeln in seine Augen trat, das weder Ruthard noch dem Parnass oder den Ältesten entging. „Ihr erhaltet selbstverständlich einen schriftlichen Beleg für die uns anvertrauten Dinge“, fügte er noch rasch hinzu.
„Ich werde mit der Gemeinde reden. Jedem steht es frei zu tun, was ihm beliebt.“
„Demnach kann ich Emich wissen lassen, dass er mit einem Pfund Gold rechnen kann?“, hakte Ruthard nach.
„Tut das. Es liegt bereit. Eure Männer können es jederzeit in Empfang nehmen.“
Karl war kein Wort von dem Gespräch im Zelt entgangen,denn trotz seines Alters funktionierte sein Gehör noch recht gut. Bei seiner Rückkehr in den Palast überreichte er nicht nur das Schreiben, sondern gab dem Erzbischof auch den Wortlaut wider.
„Wie schätzt du Emich ein? Du hast doch viel Erfahrung mit Menschen“, fragte ihn Ruthard.
„Es ist nicht einfach. Er wirkt herrisch und erscheint mir äußerst beharrlich. Die Männer an seiner Seite sind kriegserfahren und genau wie er zu allem entschlossen.“
„Denkst du, sie lassen sich durch Geld zum Abzug bewegen?“
Karl überlegte, kam aber zu keinem eindeutigen Schluss. „Man sollte es zumindest versuchen.“
Ruthard wandte sich an Manegold, Conrad, Hanno und Widukind, die inzwischen eingetroffen waren. „Emich bürgt für eure Sicherheit und mit ihm haben alle Anführer unterzeichnet. Euch dürfte also nichts geschehen. Die Juden können ein Pfund Gold aufbringen. Verhandelt also klug.“
„Das werden wir tun“, versicherte ihm Manegold.
„Ich hoffe nur, dass sie die Summe akzeptieren. Und nun geht mit Gott!“, sagte der Erzbischof und schlug ein Kreuz über die kleine Gesandtschaft.
Vor den Toren
Unterwegs schärfte Manegold seinen Begleitern ein, dass sie sich auf keinen Fall in seine Verhandlungen einmischen sollten. Hanno, der Kettenhemd und Schwert trug, ging voran, dann folgten die unbewaffneten Mönche und Widukind bildete die imposante Nachhut. Soldaten Emichs nahmen sie vor dem Tor in Empfang, um ihnen sicheresGeleit zu gewähren. Als sie hinaustraten, teilte sich die gaffende Menge und gab eine Gasse frei, durch die die kleine Abordnung schritt. Dabei beschlich sie das Gefühl, zu ihrer eigenen Exekution geführt zu werden. Die Kreuzfahrerfahnen flatterten drohend im Wind; kritische, beinah feindselige Blicke folgten ihnen, untermalt von einem Knurren aus Hunderten Kehlen. Die Pilger waren noch immer über den Tod ihres Glaubensbruders erbost, aber sie wagten auch nicht, gegen den Befehl ihrer Anführer zu verstoßen und die Hand gegen die Unterhändler zu heben, da diesen leibliche Unversehrtheit versprochen worden war.
Kurz bevor sie das Zelt Emichs erreichten, trat einer der Wallfahrer hervor und funkelte sie böse an. Er drohte mit einer Mistgabel, wurde aber von einem Soldaten der Eskorte zurückgedrängt. Das schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken, denn er deutete auf Widukind und schrie: „Dich erkenne ich wieder. Du warst dabei, als mein Freund getötet wurde. Wann liefert ihr uns endlich seinen Mörder aus? Man sagt, er sei ein Jude.“
„Woher willst du wissen, dass es ein Jude war? Meinst du, sie wären so dumm und kämen freiwillig aus der Stadt geradewegs zu euch? Denk darüber nach, falls du dazu fähig bist“, wies ihn der Steinmetz zurecht, was den anderen noch mehr aufbrachte.
Abt Manegold mischte sich ein und entgegnete ruhig: „An unseren Händen klebt kein Blut. Kannst du das auch von deinen behaupten?“, woraufhin der Mann den Kopf und seine Forke senkte.
Emich erwartete sie vor seinem Zelt, rechts und links flankiert von den anderen Anführern. Die Abordnung blieb in gebührendem Abstand stehen und beide Parteien musterten sich abschätzend.
Ohne sie zu grüßen und ins Zelt zu bitten, ergriff Emich das Wort. „Dem Erzbischof scheint es nicht sonderlich ernst mit seinem Anliegen zu sein, wenn er nicht einmal einen Edelmann schickt“, bemerkte er spitz.
„Du irrst“, erwiderte Widukind mit dröhnendem Bass und machte einen Schritt auf ihn zu. „Ich entstamme dem Geschlecht
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