Das Blut von Magenza
sind bereit, es einzugehen. Außerdem hat uns die Gemeinde inzwischen weiteres Silber und Gold anvertraut. Sie sind also längst nicht mittellos“, ereiferte sich der Kämmerer, wobei seine Augen wieder gierig funkelten.
Hanno betrachtete seinen Herrn mit Abscheu. Seine unverhohlene Gier bestärkte seinen Verdacht, dass er Teile des Domschatzes für sich abgezweigt haben könnte. Zwar fehlten ihm bislang die Beweise, aber er würde sicher bald welche finden. Heute Morgen war es ihm schwergefallen,sich nichts anmerken zu lassen. Vor allem die Frage, wozu sein Herr noch fähig war, um sich zu bereichern, beschäftigte ihn. Reichte ihm das Gold der Kirche nicht? Wollte er sich etwa auch noch das der Juden aneignen?
Conrad schlug sich auf die Seite des Abts. „Auch ich rate zur Vorsicht. Wir sollten die Entscheidung nicht übereilen. Wir haben keine feste Zusage gemacht, wann sie das Lösegeld erhalten, sondern es lediglich in Aussicht gestellt. Die Zeit ist auf unserer Seite. Mainz ist wehrhaft, die Vorratsspeicher gefüllt, die Bevölkerung auf die Belagerung eingestimmt. Die Wallfahrer sind uns gegenüber im Nachteil. Möglich, dass viele von ihnen freiwillig abziehen, wenn sie die Aussichtslosigkeit ihres Vorhabens erkennen.“
„Conrad, du irrst dich mit deiner Einschätzung. Jetzt, da sie von dem Lösegeld wissen, werden sie bleiben“, äußerte der Kämmerer rechthaberisch.
Ruthard hatte schweigend zugehört. Die Last, die auf ihm ruhte, wurde mit jeder Stunde drückender. Er wusste nicht, wie er sich festlegen sollte. Noch nie hatte er vor einer solch schwierigen Entscheidung gestanden. Das Leben Hunderter, wenn nicht gar Tausender, hing von ihm ab. Er war im Zwiespalt, denn die Argumente beider Seiten hatten etwas für sich. Je eher diese Belagerung endete, umso besser für sie alle. Aber wenn es stimmte, dass Emich sich durch nichts von seinem Ansinnen abbringen ließ, wäre das Gold tatsächlich vergeudet. Die Herren des Domkapitels teilten die Meinung des Kämmerers, nur Conrad und der Abt sowie Hanno und Widukind waren anderer Ansicht. Aber im Vergleich zu den anderen, fiel ihre Meinung weniger ins Gewicht. Dennoch beschloss er, in sich zu gehen.
„Ich ziehe mich für eine Stunde zurück, um in Ruhe nachzudenken“, sagte er. „Findet euch dann wieder hier ein.“
Diese Stunde war die längste seines Lebens. Selten hatte er sich so verlassen und verzweifelt gefühlt. Schließlich folgte er dem Rat des Kämmerers. Als er ihnen seine Entscheidung mitteilte, war die Erleichterung unter den Herren des Domkapitels deutlich zu spüren. Manegold und seine Begleiter machten aus ihrer Enttäuschung dagegen keinen Hehl.
„Ich verlange, dass ihr vier bei der Übergabe dabei seid. Lasst euch ihr Ehrenwort geben, dass sie sich an ihr Versprechen halten werden“, trug der Erzbischof ihnen auf.
Vor den Toren
Am späten Nachmittag verließ die Abordnung mitsamt dem Gold und eskortiert von Soldaten Mainz. Kaum hatten sie das Tor durchschritten, brandeten Freudenrufe auf, die sie bis zum Zelt Emichs begleiteten. Dieses Mal ließ er sie nicht wie Bittsteller draußen warten, sondern bat sie herein. Drogo von Nestle, Wilhelm von Melun, der Herr von Salm und Hartmann von Dillingen wechselten triumphierende Blicke, während Emich die Übergabe mit versteinerter Miene verfolgte.
„Hier ist wie vereinbart das Gold. Überzeugt euch selbst“, sagte er und öffnete die Kiste. Nachdem sich alle von ihrem Inhalt überzeugt hatten, erinnerte er sie an ihre Abmachung. „Und ihr hebt im Gegenzug die Belagerung auf?“
„Ich verspreche euch, dass wir nichts unternehmen werden, um mit Gewalt in die Stadt einzudringen“, erwiderte Emich.
„Dann zieht ihr also ab?“, hakte der Abt nach.
„Ja.“
„Wann?“
„Sobald die Zeit gekommen ist“, bestätigte er vage.
Manegold musste sich damit zufrieden geben, auch wenn er ihm misstraute. Seine Bedenken wurden von Hanno geteilt, der sie auf dem Rückweg offen aussprach. „Mir gefällt nicht, was er sagte. Er hat sich nicht festgelegt.“
„Er gab uns aber sein Wort, nicht einzufallen“, stellte der Abt fest.
„Das stimmt nicht ganz. Er meinte lediglich, dass er keine Gewalt anwenden will, um in die Stadt zu gelangen. Das ist ein Unterschied. Was ist, wenn er sich auf andere Weise Zutritt verschafft?“, bemerkte Widukind nachdenklich.
„Wie sollte ihm das gelingen?“, fragte Conrad. „Sämtliche Tore sind bewacht und die Mauern stark. Niemand kann hinein
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