Das Blut von Magenza
unterliegt allein meinem Rechtsempfinden. Wir beginnen mit der Befragung der Zeugen. Und ich wünsche ab jetzt keine weiteren Unterbrechungen!“, belehrte er die Anwesenden.
Wieder wagten einige Zuschauer, ihre Zustimmung laut zu bekunden, doch Gernot hob nur drohend den Zeigefinger und sie schwiegen sofort. „Ich meine es ernst, noch eine weitere Unterbrechnung und ich werfe die Störer für einen Tag in den Kerker!“
Dieses Mal zeigten seine Worte Wirkung und die Münder blieben geschlossen, allerdings war Sanne anzusehen, dass sie vor Wut kochte. Sie hasste es, zurechtgewiesen zu werden, und Gernots Tadel kam schon einer Bloßstellung gleich.
Der Schultheiß betrachtete die Zeugen der Reihe nach.„Bevor ich Euch befrage, werdet Ihr vereidigt. Ich weise Euch nur dieses eine Mal darauf hin, dass Meineid strafbar ist. Habt Ihr das verstanden?“
Alle nickten.
„Gut, dann sprecht dem Gerichtsdiener nach“, forderte er von ihnen.
Nachdem die Eide abgelegt waren, wandte er sich zunächst an Sanne. „Wie geht es deinem Mann? Aber ich bitte um eine ehrliche Antwort!“
Sanne schluckte ihren Ärger über die erneute Zurechtweisung hinunter, denn sie hatte vorgehabt, eine möglichst drastische Schilderung von Mathes´ Leiden zu geben, was sie nun aber unterließ. „Es geht ihm ganz gut. Die Wunde ist nicht allzu groß. Er hat die Nacht durchgeschlafen und heute Morgen sogar etwas essen können.“
„Dann wird er wieder gesund?“
„Der Arzt meint, wenn er keine Entzündung bekommt und nicht nach innen blutet, dann ja.“
„Gibt es dafür irgendwelche Anzeichen?“
„Bis jetzt nicht.“
„Das ist erfreulich. Richte ihm meine Genesungswünsche aus.“
Sannes Aussage sorgte bei den Fuhrleute für Erleichterung. Ihre verkrampfte Körperhaltung entspannte sich etwas und sie hoben sogar kurz die Köpfe und schauten in ihre Richtung. Doch Sanne wandte sich trotzig ab.
Gernot befragte nun den Steinmetz. „Widukind von Battenheim, du warst während des Streits die ganze Zeit dabei?“
„Jawohl.“
„Dann berichte der Reihe nach, was gestern Abend geschah.“
Der Steinmetz räusperte sich und erzählte alles, ohne seinen Bericht unnötig auszuschmücken. Gernot und die Fuhrleute hörten ihm aufmerksam zu.
„Gibt es dem etwas hinzuzufügen?“, wollte Gernot von den anderen Zeugen wissen.
Die Goldschmiedegesellen bestätigten Widukinds Aussage und Arnulf stellte fest: „Es ereignete sich genauso, wie Widukind sagte!“
Sanne meinte: „Ich war in der Küche, bis Mathes niedergestochen wurde, und weiß deshalb nicht, was davor geschah.“
„Und wie seht ihr das?“, fragte er Jobst, Sixt und Endris.
„Es hat sich wohl alles so zugetragen“, entgegnete Jobst leise und mit gewissem Respekt in der Stimme.
„Sprich lauter, man versteht dich kaum!“
Jobst wiederholte seine Antwort.
„Was meinst du mit ‚wohl‘?“, hakte Gernot nach.
Endris zog laut schniefend die Nase hoch und Sixt scharrte verlegen mit den Füßen.
„Während wir im Gefängnis saßen, versuchten wir uns an alles zu erinnern. Aber es gelang uns nicht. Wir haben einfach zu viel Bier getrunken und waren deshalb benebelt. Bevor wir zu Mathes gingen, zechten wir schon im Eichbaum.“
„Ihr wollt eure Tat doch hoffentlich nicht damit entschuldigen?“
„Nein, keineswegs“, sagte Endris rasch. „In einem solchen Zustand sind wir eben unberechenbar und wissen dann nicht, wo vorn und hinten ist.“
„Das hat man euch angemerkt“, warf Arnulf ein. „Ihr habt geschwankt wie Schiffe bei starkem Seegang.“
Wieder lachten einige Zuschauer, selbst Gernot musstekurz schmunzeln und sparte sich dieses Mal eine Rüge. Seine Miene wurde wieder ernst. „Seid ihr etwa stolz auf das, was ihr im Rausch tut?“
„Nein“, bekannte Jobst zerknirscht. „Ich kenne meine Schwäche, aber mir gelingt es einfach nicht, sie zu bezwingen. Mein Geist ist willig, mein Fleisch leider schwach.“
„Versuche nicht, dich mit Bibelzitaten herauszureden. Das ist keine Entschuldigung!“, empörte sich der Schultheiß. „Heute Morgen erscheint ihr mir recht vernünftig, aber dieses Mal seid ihr entschieden zu weit gegangen. Noch bin ich mir nicht sicher, ob ihr nicht doch der höheren Gerichtsbarkeit überstellt gehört. Ich ziehe mich jetzt zurück. In zwei Tagen verkünde ich die Entscheidung, bis dahin bleibt ihr auf jeden Fall in Gewahrsam. Nutzt die Zeit und geht in euch. Ihr habt schon Etliches auf dem Kerbholz, da ist bald kein Platz
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