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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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hölzerne Brücke, die Karl der Große hatte erbauen lassen, einem Brand zum Opfer gefallen war. Man munkelte, erzürnte Fährleute hätten sie angesteckt, da ihre Geschäfte schlecht gingen. Heute allerdings konnten sie sich über ausbleibende Kundschaft nicht beklagen, denn im Hafen stapelten sich die Boote und mancher Kahn musste Stunden warten, bis er anlanden konnte.
    Auf dem Speismarkt ging es nicht minder lebhaft zu. Hier wurden Gemüse, Eier und Obst feilgeboten, die manchen Dieb anlockten, der durch einen Mundraub seinen Hungerzu stillen gedachte. Wenn ein Langfinger zugriff, hagelte es meist Flüche, die allzu oft in wilden Verfolgungsjagden endeten, bei denen häufig mehr zu Bruch ging, als der Dieb Schaden anrichtete. Aber angesichts der bevorstehenden Feier der Geburt des Herrn zeigten sich die Marktbeschicker milde und schauten über die kleinen Diebereien großzügig hinweg.
    In der Gasse der Metzger zog es die Menschen zu den Fleischbänken. Pünktlich zum Ende der Fastenzeit wetzten sie wieder die Messer und schlachteten allerlei Vieh und Geflügel, das sie jetzt feilboten. Nach dem entbehrungsreichen, vierzigtägigen Fasten klingelten ihre Kassen wieder und bescherten ihnen zufriedene Gesichter.
    Die Bäcker buken mehr helles als dunkles Brot, da auch die weniger Gutbetuchten bereit waren, das teurere, hellere zu kaufen. Und in den Häusern selbst wurde seit dem frühen Morgen gebacken und gekocht, was das Zeug hielt.
    Bettler hatten sich bereits bei Tagesanbruch auf den Märkten oder vor den Kirchen positioniert. Dabei kam es gelegentlich zu kleineren Rangeleien um die besten Plätze, denn ein guter Standort garantierte reichen Ertrag. Während der Feiertage zeigten sich die Reichen spendabel und so erklang nur selten ein simples „Vergelt‘s Gott“. Viel häufiger ertönte ein schnell gemurmeltes „Ave Maria“ und eine besonders großzügige Münze bescherte dem Spender sogar ein salbungsvolles „Pater noster“.
    Auch in der Dombauhütte wurde emsig gearbeitet. Lautes Klopfen von Schlägel, Knüppel und Zahneisen dröhnte aus jedem Winkel. Nur Widukind, der seinen Arm noch immer schonen musste, war zu weitgehender Untätigkeit verdammt und dementsprechend bärbeißig. Nichts hasste er mehr, als tatenlos herumzusitzen. Die Fertigstellungseiner Madonna brannte ihm unter den Nägeln und jeder Tag, der ungenutzt verstrich, war für ihn ein verlorener. Bevor er überhaupt mit dem eigentlichen Werk beginnen konnte, mussten noch einige Vorarbeiten erledigt werden, wie zum Beispiel das Anfertigen eines Tonmodells. Ein Teil des Materials lagerte seit Tagen unter feuchten Tüchern in einer Truhe und wartete darauf, verarbeitet zu werden. Widukinds Blick blieb auf dem geschlossenen Deckel hängen und machte ihm bewusst, dass er ihn bis zum 1. Januar, dem Fest der Beschneidung des Herrn, nicht öffnen würde.
    Er versuchte sich abzulenken, in dem er kleinere Ausbesserungen vornahm oder nach den Lehrlingen sah, doch stellte das keinen echten Ersatz für seine eigentliche Arbeit dar. Wenigstens würde er über Weihnachten aus der Stadt herauskommen und einige Tage bei seiner Familie in Battenheim verbringen. Aber selbst dieser Besuch war nicht unbelastet, denn noch immer waren sein Vater Bolko und er zerstritten. Wahrscheinlich würde er ihn wie immer meiden und keines Blickes würdigen, aber das hinderte Widukind nicht daran, den Rest seiner Familie zu sehen. Er hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sein Vater ihm eines Tages vergeben würde, und deshalb für ihn eine Figur des Heiligen Georg angefertigt, den er besonders verehrte. Jobst hatte sie vorgestern nach Battenheim gebracht und so den ersten Teil seiner Schuld beglichen. Bolko hatte das Geschenk zwar angenommen, ob es ihm aber auch gefiel, hatte Jobst nicht sagen können.
    Eigentlich war Widukind ein friedfertiger Mensch, doch das Nichtstun machte ihn aggressiv. Gegen Nachmittag befand er sich in einer Stimmung, in der ein falsches Wort ausgereicht hätte, um einen Wutanfall auszulösen. In solchen Momenten erkannte er sich selbst nicht wieder.Dann brüllte er wie ein wildgewordener Stier, trampelte mit den Füßen auf am Boden liegenden Gegenständen herum oder warf alles, was gerade greifbar war, durch die Luft. Meist verfehlte er dabei sein Ziel und so waren Menschen glücklicherweise noch nie zu Schaden gekommen, höchstens Dinge, die gerade zufällig im Weg standen. Aber dennoch war seine Raserei so fruchteinflößend, dass jeder

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