Das Blut von Magenza
ihr mit auf den Weg.
„Wofür benötigst du denn das Eiweiß?“
„Wart es ab!“, meinte er nur. Den Knechten, die abseitsgestanden und zugeschaut hatten, trug er auf, sich um die Pferde zu kümmern und ihm das Bündel des Fremden zu bringen.
Widukind fand jetzt erst Zeit, den Unbekannten eingehender zu mustern. Er war jung und kräftig und hatte gute Aussichten, wieder völlig gesund zu werden. So wie es aussah, war nur seine Hand gebrochen, alles andere waren zwar schmerzhafte, aber keine allzu ernsten Blessuren. Nur ob sein Kopf größeren Schaden genommen hatte, ließ sich jetzt noch nicht sagen. Der Fremde hatte wirklich Glück gehabt, dass er in der Nähe gewesen war. Gut nur, dass seine Angreifer Widukinds verletzte Hand nicht bemerkt hatten. Womöglich wären sie dann nicht so schnell geflohen. Er betrachtete seinen Verband und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er blutdurchtränkt war. Die Wunde war wieder aufgebrochen. Sobald der Fremde versorgt war, musste er nachschauen. Bevor Agnes zurückkam, richtete er noch mit einer geschickten Bewegung die Nase des Fremden.
Als sich die Tür öffnete, drehte er den Unterarm so, dass Agnes nicht gleich die blutige Stelle sehen konnte. Eine junge Magd begleitete sie. Sie trug eine Schüssel mit warmem Wasser und hatte Leinenbinden über ihrem Arm liegen.
„Ich habe hier einen Trank gekocht, der seine Schmerzen lindern wird“, bemerkte die alte Kinderfrau und stellte das Eiweiß, den Salbentiegel und den Becher ab. „Ich habe auch welchen für dich gemacht, denn deine Verletzung schmerzt doch sicher auch“, stellte sie fest und zeigte auf den Verband.
„Dir entgeht aber auch nichts“, musste Widukind wider Willen lächeln.
Agnes zuckte nur die Schultern und wies dann die Magd an: „Halte die Schüssel, während ich die Wunden wasche.“
Das junge Mädchen nickte, war aber etwas blass um die Nase.
„Du wirst mir doch nicht umfallen?“, erkundigte sich Agnes.
„Mach dir um mich keine Sorgen. Ich halte auch die Blutschüssel, wenn mein Vater eine Sau schlachtet“, antwortete sie nur.
„Du wirst ja wohl ein Schwein nicht mit einem Mann vergleichen wollen?“, empörte sich Agnes, fügte aber leise hinzu: „Obwohl es Männer gibt, deren Benehmen schlimmer ist als das einer Sau!“
Nachdem die Wunden gesäubert waren, bestrich sie sie mit einer Salbe aus Ziegenbutter und Ringelblumen. Dann fühlte sie seine Stirn. „Fieber scheint er keines zu haben. Wenigstens etwas.“
Ab jetzt übernahm Widukind. Er tastete den rechten Unterarm ab und fand die Stelle, an der er gebrochen war. Froh, dass der Mann noch immer ohnmächtig war, brachte er die Knochen in ihre ursprüngliche Position und bat Agnes und die Magd, ihm jetzt zu helfen.
„Tränkt die Leinenbinden in Eiweiß und reicht sie mir nacheinander.“
Widukind umwickelte den Unterarm von der Hand bis an den Ellenbogen. Dabei legte er mehrere Schichten übereinander, wobei er darauf achtete, dass der Stoff nicht einschnürte. Die Frauen sahen ihm interessiert zu. Dergleichen hatten sie noch nie gesehen.
„Wo hast du das gelernt?“, wollte Agnes wissen, nachdem er fertig war.
„Während meiner Wanderjahre war ich auf einer Baustelleim Süden Frankreichs. Dort geschah ein schwerer Unfall mit mehreren Verletzten, von denen einige sich Brüche zuzogen. Ein jüdischer Arzt versorgte sie und ich half ihm dabei. Sobald das Eiweiß fest wird, verhärten die Binden und machen den Arm unbeweglich. So kann der Bruch in Ruhe heilen. Wir sollten ihn jetzt schlafen lassen“, meinte er schließlich.
In diesem Augenblick öffnete der Fremde seine Lider und schaute mit geweiteten Pupillen den Steinmetz an. Dann verlor er wieder das Bewusstsein. Doch Widukind hatte dieser Augenblick genügt um festzustellen, dass das Weiß seiner Augen klar und nicht gerötet war. Zwar hatten seine Pupillen nur verzögert auf das Licht reagiert, sich aber dennoch zusammengezogen. Widukind wertete es als gutes Zeichen.
Agnes trug der Magd auf, bis zum Eintreffen des Hausherrn die Wunden des Verletzten zu kühlen. „Wenn die Familie aus der Kirche kommt, brauche ich dich aber in der Küche“, sagte sie zu ihr. „Falls er aufwacht und Durst hat, kannst du ihm von diesem Trank geben, er lindert die Schmerzen und wirkt betäubend“, ordnete sie an und meinte dann zu Widukind: „Und du gehst jetzt mit mir in die Küche.“
Folgsam trottete er hinter ihr her. „Hast du den Mann schon einmal gesehen?“, fragte er,
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