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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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aber ich las es in seinen Augen“, versicherte sie ihm.
    Widukind freute sich darüber, vielleicht ließ sich das Herz seines Vaters doch irgendwann erweichen. In diesem Augenblick erklangen die Stimmen seiner Familie im Hof. Sofort ging er sie begrüßen. Die Wiedersehensfreude unter den Geschwistern war groß, vor allem Yrmengardis herzte ihren Bruder.
    „Willst du mich nicht wie sonst herumschwenken?“, neckte sie ihn.
    „Heute nicht, meine Hand ist verletzt. Nichts Schlimmes, aber ich muss vorsichtig sein“, versicherte er schnell, als er ihre bestürzte Miene sah.
    Der Empfang durch die Eltern fiel deutlich distanzierter aus. Seine Mutter Alheyt strahlte zwar über das ganze Gesicht, zeigte aber in Gegenwart ihres Gemahls Zurückhaltung. Bolko von Cankor wandte sich zu Widukinds Überraschung nicht wie üblich ab, sondern ging auf seinen Sohn zu und legte ihm ohne ein Wort die Hand auf dieSchulter. Widukind verschlug diese Geste die Sprache und er schaute seinen Vater nur an.
    „Lasst uns hineingehen“, forderte Bolko alle auf und Widukind fühlte sich zum ersten Mal seit Jahren nicht mehr ausgeschlossen, sondern wieder im Familienkreis aufgenommen.
    „Hannes erzählte mir, dass du einen Verletzten hergebracht hast“, sagte der Graf, als sie am Tisch saßen.
    „Ja Vater, ich hoffe es ist dir recht. Er wurde überfallen und ich kam gerade noch zur rechten Zeit. Er war bereits ohnmächtig und ich konnte ihn doch nicht so hilflos liegen lassen“, rechtfertige sich Widukind.
    „Du hast richtig gehandelt“, versicherte ihm Bolko.
    Beim Essen erzählte Widukind alles, angefangen vom ersten Hilferuf bis zur Ankunft im Anwesen. Dabei fiel ihm auf, dass seine Zunge immer schwerer wurde. Sie fühlte sich pelzig an. Agnes‘ Trank entfaltete allmählich seine Wirkung, die Schmerzen ließen nach.
    Nachdem er fertig war, lobte ihn sein Vater und erstaunte ihn damit zum zweiten Mal an diesem Tag. „Du warst sehr mutig.“
    „Ich tat nur meine Christenpflicht“, entgegnete er.
    „Nicht jeder hätte so gehandelt. Immerhin waren sie in der Überzahl. Hast du einen von ihnen erkannt?“, fragte Bolko, der aufgrund seiner Position auch für die Rechtsprechung im Dorf zuständig war.
    „Ich habe mir die Gesichter eingeprägt, aber ich kenne keinen von ihnen. Es könnte sein, dass sie nicht von hier stammen und sich auf der Durchreise befanden. Zumal sie auf Pferden unterwegs waren. Genau wie unser Gast übrigens. Weder Agnes noch die Magd oder die Knechte kennen ihn.“
    „Ich werde nachher in seine Kammer gehen und nach ihm sehen. Ich will wissen, wen wir beherbergen“, beendete Bolko das Thema.
    Yrmengardis hatte neugierig zugehört. Die Geschichte klang verwegen und da sie selten etwas Aufregendes erlebte, beschloss sie ebenfalls einen Blick auf den Fremden zu werfen. Da sie aber mit der Missbilligung ihrer Eltern rechnete, schlich sie sich in einem günstigen Augenblick davon. Als sie vor seinem Bett stand und den geschundenen Körper sah, erschrak sie zutiefst. Sein Anblick weckte ihr Mitleid. Das flachsblonde Haar war blutverklebt. Die Schwellungen in seinem Gesicht entstellten ihn beinah bis zur Unkenntlichkeit und sie fragte sich, wie er normalerweise aussah. Die gebrochene Hand ruhte quer über seinem eingefallenen Bauch, der sich im regelmäßigen Rhythmus hob und senkte.
    Die Decke war bis zu seinen Lenden hinuntergerutscht und ein Teil der kühlenden Tücher verschoben. Yrmengardis‘ Augen tasteten den nackten Oberkörper ab und wanderten hinunter bis zur Hüfte. Obwohl sich deutlich Muskeln unter seiner hellen Haut abzeichneten, die viel Kraft und Beweglichkeit vermuten ließen, wirkte er irgendwie zerbrechlich. Geradeso, als hätte er in seiner Kindheit gehungert. Er erinnerte sie an eine Skulptur des sterbenden Jesus, die sie einmal in einer Kirche gesehen hatte. Yrmengardis fühlte sich schuldbewusst, weil sie ihn so schamlos anstarrte. Das gehörte sich nicht, dennoch faszinierte er sie und sie konnte sich einfach nicht von ihm losreißen.
    Stattdessen trat sie noch dichter an sein Lager, beugte sich zu ihm hinab, befeuchtete die Tücher, legte sie wieder auf die Verletzungen und deckte sie mit trockenen ab. Dann zog sie das Laken wieder hoch. Ihr Blick fiel auf den Bechermit dem Sud, und als sie seine aufgesprungenen, leicht geöffneten Lippen sah, hob sie sanft seinen Kopf an und träufelte ihm vorsichtig etwas davon in den Mund. Er schluckte gierig und Yrmengardis gab ihm so lange zu

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