Das Blutband: Der 11. Handyman Jack Thriller (German Edition)
nicht?«
»So kann man es wohl sagen. Die Therapie ist im Arsch. Er läuft Amok.«
Eine Weile schwieg sie, dann: »Triff mich bei mir zu Hause.«
Er unterbrach die Verbindung und beschleunigte den Wagen, aber seine Gedanken waren ihm weit voraus. Und sein Herz raste noch mehr als seine Gedanken. Er zitterte zwar nicht mehr, aber sein schweißgetränktes Unterhemd klebte unangenehm auf seiner Haut.
Er war heute Nacht schon so gut wie tot gewesen. Der Schock, Bolton in seiner Garage vorzufinden, hatte ihn gelähmt. Der Blick des Todes in diesen kalten blauen Augen, die Messerspitze an seiner Kehle … er wäre beinahe ohnmächtig geworden. Die erstickende Fahrt im Kofferraum, und dann … die Rettung.
Aber die Dinge, die ihm dieser Fremde, Robertson, erzählt hatte … über Gerhards Foltertod … sie mussten wahr sein. Es ergab keinen Sinn, dass Robertson ihn retten sollte, ihn zurück zu seinem Wagen fuhr, nur um ihm eine Lügengeschichte zu erzählen.
Gerhard war tot. Es musste Bolton gewesen sein. Er hatte herausgefunden, dass der Detektiv ihn verfolgte und hatte ihn umgebracht. Und wie er das getan hatte. Aaron schauderte. Das hätte auch er sein können.
Aber wieso ich?
Er bedeutete für Bolton keine Gefahr. Aber das musste er ja auch gar nicht. Bolton musste ihn nur als Gefahr einschätzen. Aber warum sollte er …?
Julia? Hatte Julia ihn ausgetrickst? Hatte sie Bolton auf Gerhard gehetzt und dann auf ihn? Aber warum sollte sie das tun? Sicher, er hatte sich nur widerstrebend für dieses Experiment einspannen lassen, aber er hatte alle ihre riskanten Pläne durchgezogen.
Das ergab alles keinen Sinn!
Er rief Marie an und erklärte ihr, er würde noch ein paar Stunden im Institut festsitzen. Als gute Ehefrau versprach sie, ihm sein Abendessen warm zu stellen.
Er fuhr an der Ausfahrt Tarrytown ab und direkt über die Bundestraße 9 zu Julias Haus.
Seine Vorgesetzte im Creighton-Institut, Dr. Julia Vecca, war alleinstehend, asketisch, hatte gute Beziehungen und ging vollkommen in ihrem Job als medizinische Direktorin auf. Aaron war ein paar Jahre länger dabei, aber er besaß nicht ihren Ehrgeiz – er hatte schließlich auch noch ein Leben außerhalb des Instituts – und er verfügte über keinerlei Beziehungen. Daher war sie die Direktorin. Womit er keinerlei Probleme hatte. Er hätte nichts gegen das zusätzliche Geld gehabt – etwas, das Julia sowieso egal zu sein schien –, aber er wollte mit dem ganzen administrativen Kram nichts zu tun haben. Er teilte Julias Hingabe für ihr Projekt, nicht aber ihren Eifer.
Er fuhr auf den Parkplatz ihres Reihenhauskomplexes und hielt neben einem schlammverschmierten Jetta – Julias Wagen. Man konnte ihn nie verfehlen. Man musste immer nur nach dem schmutzigsten Wagen in der ganzen Gegend suchen und das war dann Julias. Sie hielt nichts davon, Autos zu waschen. Sie wurden ja doch nur wieder dreckig.
Er saß da, wartete und beobachtete, aus Angst, den sicheren Schoß seines Infinity zu verlassen. Keine Hinweise auf Bolton, aber das bedeutete nichts. Er konnte sich überall verstecken.
Aaron starrte über die kurze Wegstrecke Pflastersteine und Rasen zu Julias Haustür hin. So nahe, und doch …
Er rief sie noch einmal an. Als sie ans Telefon ging, sagte er: »Ich bin draußen.«
»Ja? Ich habe nicht gehört, dass du geklingelt hast.«
»Das habe ich auch nicht. Mach die Tür auf und warte auf mich.«
»Ich denke nicht …«
»Tu es einfach.« Dann setzte er noch ein »Bitte« hinterher.
Schließlich war sie seine Vorgesetzte.
Er sah, wie ein Rechteck aus Licht aufflammte, von dem sich eine vage weibliche Figur abhob. Mit hämmerndem Herzen stürmte er aus dem Wagen und rannte darauf zu. Julia wich mit verschrecktem Gesichtsausdruck vor ihm zurück, als er hereinstürzte und die Tür hinter sich ins Schloss rammte.
»Aaron, was zum Teufel ist hier los?«
Julia fluchte sonst so gut wie nie.
Er bemerkte, dass sie ihr Haar offen trug, was bei vielen Frauen dazu führte, dass sie dadurch attraktiver wirkten. Julia dagegen war eine Ausnahme von dieser Regel. Ihr gerade mal schulterlanges, mausbraunes Haar – nur eben lang genug, um es mit einem elastischen Band zusammenzuraffen – war strähnig und konnte eine ordentliche Haarwäsche gebrauchen. Ihr ungeschminktes Gesicht war blass und glänzte, wie sie ihn so mit ihren großen dunklen Augen durch die dicken Brillengläser ansah. Statt der für sie typischen Bluse und Hose trug sie einen weiten
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