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Das Blutbuchenfest

Das Blutbuchenfest

Titel: Das Blutbuchenfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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Sonnenuntergangslicht die Parkwiesen; abends pausierte der Regen meistens, als habe er sich erschöpft. Nachts ging es aber wieder los, das Tropfen und Blätterrauschen begleitete mich in den Schlaf, ein Smaragdgrün entstand, das an England und das Salzkammergut erinnerte. Die Böden waren freilich mit Wasser vollgesogen, daß es bei jedem Schritt auf ihnen quatschte. Nasse Parkwiesen – vor allem dachte ich an Doktor Glücks große Wiese, das grüne Rondell hinter seinem Haus, von Riesenbäumen umstanden. Es war längst klar, daß sich hier der größte Teil der Gäste würde aufhalten müssen, denn es war völlig außer Kontrolle geraten, mit welcher Zahl man rechnen durfte. Rotzoff hielt es lange für klug, zu verschweigen, daß er Billets hatte nachdrucken lassen; wozu sollte er sich Merzingers und Glücks Protest anhören? Reichte es nicht, die Herren kurz vor dem Ereignis mit der Wahrheit zu konfrontieren, wenn es nur noch galt, des Ansturms irgendwie Herr zu werden?
    Merzinger hatte freilich Ahnungen. Immer wieder hörte er Leute sagen, daß sie kommen wollten. Er kannte Rotzoff zur Genüge, um die Versuchung, die im Verkaufen und im Einsammeln von Bargeld lag, richtig einzuschätzen. Hinzu kam, daß die Agentin Markies sich tatsächlich des Festes angenommen hatte, ganz ohne Rotzoffs Dazutun. Er harmonierte nicht mit Inge Markies, gelinde gesagt, noch aus seinen guten Zeiten. Man hatte miteinander zu tun gehabt und verabscheute sich gründlich, Markies mit ironischer Verachtung, Rotzoff mit wilden Gerüchten: Die Agentur Markies sei eine Geldwaschanlage, in ukrainischen Mädchenhandel verstrickt, Inge Markies habe sogar schon einmal gesessen. Aber als Frau Markies – noch von Winnie, Winnie wirkte über ihr schmales Grab hinaus – erfuhr, daß dies Fest in Doktor Glücks Garten steigen sollte, wurde sie aufmerksam. Sie betrachtete Doktor Glück nicht aus dem Winkel des Merzinger-Ecktischs heraus; sie war über seine Karriere bestens orientiert und wußte von seinem Aufstieg in die erste Reihe – direkt unter der allerersten –; er galt in seinen Kreisen als uncharismatischer Technokrat, absolut zuverlässig, mit untrüglicher Nase für unmittelbar bevorstehende Entwicklungen. Manchmal sah es riskant aus, was er machte, war es aber nie, denn er durfte sich auf seine Eingebungen verlassen. Seine Einsamkeit machte ihn geheimnisvoll. Wenn er gewollt hätte, wäre er zum Börsen-Guru der nachwachsenden Generation geworden, aber er machte aus sich zuwenig, so die Analytiker seines doch schon beachtlichen Erfolgs.
    In der Agentur Markies – das heißt im Busen von Inge Markies – wurde unbestellt schon darüber nachgedacht, wie einem Mann wie Doktor Glück auf die Sprünge geholfen werden könne: Teure Liebhabereien, Polo und Tiefseefischen würden nicht recht in Frage kommen, am wichtigsten war hier wohl die richtige Frau. Um Himmels willen kein Mäuschen, dazu wäre Glück vermutlich imstande, sondern, wie Markies sich selbst darlegte, ein »High-Maintenance-Wife«. Mit solch einer Person an seiner Seite konnte sich ein Mann jede Blässe leisten, solche Unterschiede machten ein phantasieanregendes Paar erst aus. Es hatte eine blockierende Wirkung, wenn der Betrachter nicht wußte, wer von Mann und Frau der Strahlendere, Schönere und Elegantere war, das entsprach naiver Film-Ästhetik, in der Sphäre der Macht galten andere Gesetze. Frau Markies empfand Doktor Glück als formbares Rohmaterial. Sie hatte da gewisse Marzipanriegel vor Augen, aus denen Konditoren bunte Dekorationsfrüchte kneteten, auch sie selbst fühlte sich mit ihren vollen Mandel-Vanille-Düften dem Marzipan urverwandt. Es gelang ihr, zu ihm vorzudringen, ohne sich mit den Herren Rotzoff und Merzinger weiter abzugeben. Das war nicht so leicht, wie man vermuten würde, wenn man an Glücks bescheidene und unterwürfige Rolle an Merzingers Ecktisch dachte. Assistenten und Chefsekretärinnen und Vize-Direktoren schirmten ihn ab und wachten über seine Zeit, aber schließlich saß sie vor ihm und sprach über »sein Fest«, zu dem beizutragen sie gebeten worden sei.
    »Mein Fest?« Doktor Glück tat äußerst verwundert – nein nein, mit ihm habe das nicht das geringste zu tun, er stelle nur die Örtlichkeit zur Verfügung, liebe Freunde hätten sich das ausgedacht, denen er gern behilflich sei. Die sachliche Kühle, mit der er sie empfangen hatte, in seinem großen, ganz von Glaswänden umgebenen Büro – an einer einzigen

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