Das Blutgericht

Titel: Das Blutgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Hilton

Vom Netzwerk:

.38er Patronen. Dieses Mal würde er keinen Sturmangriff auf das Jorgenson-Anwesen starten. Wenn ihm also die zehn Geschosse nicht ausreichten, dann stimmte etwas mit seinem Plan nicht.
    Ein Holster konnte er nicht finden. Deswegen nahm er an, dass der Mann seine Pistole nur zu Selbstverteidigungszwecken zu Hause aufbewahrt hatte. Genutzt hatte es ihm nicht viel, die Waffe in einer abgeschlossenen Metallkiste zwei Zimmer weiter von dem Ort aufzubewahren, an dem er sie gebraucht hätte. Dantalion lud den Revolver und ließ ihn neben das zweite Magazin in seine Jackentasche gleiten.
    Dann erst fiel ihm wieder die dringlichste Angelegenheit ein.
    Sein Buch.
    Als er es aber öffnete, stellte er fest, dass das Meerwasser nur an den Seitenrändern seine Spuren hinterlassen hatte. Die meisten seiner Zahlenlisten waren immer noch lesbar. Die Tinte war etwas verlaufen, was aber den Ziffern eine Aura verlieh, die sie noch überirdischer, noch geheimnisvoller wirken ließ – und das gefiel ihm gut. Nur die letzten Zahlen bereiteten ihm Sorge. Sie sprachen die Unwahrheit. Die drei, die er für Bradley, Marianne und Hunter eingetragen hatte, entsprachen nicht den Tatsachen. Er konnte das ausgleichen, indem er die Zahlen für diejenigen, die er seitdem getötet hatte, nachtrug – Petre Jorgenson, Gabe Wellborn und mehr als ein halbes Dutzend Bodyguards –, aber das würde den Zahlen ihre Systematik rauben. Der numerologische Code, den er verwendete, musste unter allen Umständen exakt eingehalten werden. Die drei, die er bereits eingetragen hatte, mussten sterben, bevor er die Nummern der anderen nachtragen konnte.
    In der Ruhmeshalle der Gefallenen ist Dantalion der einundsiebzigste Geist. Er ist ein großer und mächtiger Fürst, der sechsunddreißig Legionen von Geistern befehligt. Ganz egal, wie man es betrachtet, bleibt eine Legion eine subjektive Zahl. Im alten Rom bezeichnete man mit einer Legion eine Abteilung, die aus 3000 bis 6000 Soldaten bestand. Gemessen daran würde Dantalion über die Geister von 108 000 bis 216 000 Wesen herrschen. Wie auch immer man an diese Zahlen heranging, es war eine Summe, die für einen einzelnen Killer unerreichbar blieb, sofern er nicht eine ganze Armee hinter sich oder seine Finger am Auslöser eines nuklearen Arsenals hatte.
    Aber Numerologie ist eine relative Sache. Dantalion hatte festgestellt, dass er sich langsam dieser Größenordnung näherte, wenn er die persönlich kalkulierte dreistellige Zahl eines jeden Opfers zusammenaddierte. Waren seine Zielpersonen erst einmal tot, fehlten ihm höchstens noch zehn weitere Opfer, und dann würde er wirklich in die Fußstapfen des ursprünglichen Dantalion treten und nicht länger in dessen Schatten stehen.
    Mit einem Fön trocknete er sein Buch. Das Papier hatte sich am Rand gewellt, aber selbst das trug nur zur esoterischen Anmutung des Buchs bei. Die silberne Kette war angelaufen, aber auch das war in Ordnung. Der Antiklook war der letzte Schrei. Er hängte die Kette an einer Gürtelschlaufe ein und schob das Buch in seine gegenüberliegende Jackentasche.
    Er bediente sich am Kühlschrank des Toten. Hunger hatte er keinen, aber er wusste, dass er für das, was er zu tun hatte, bei Kräften sein musste. Er suchte sich Sachen mit langkettigen Kohlehydraten aus, die im Körper nur langsam freigesetzt wurden, und schlang sie herunter, ohne dabei etwas zu schmecken. Hinterher würde er sich nicht mehr daran erinnern, was er gegessen hatte, aber er hatte seinen Magen gefüllt und war bereit für seine Aufgabe.
    Radmutterschlüssel und Schraubenzieher ließ er zurück, aber das Messer konnte ihm noch einmal nützlich werden. Er wickelte es in einen Lappen und nahm es mit, als er ging. Er verließ das Haus auf dem gleichen Weg, auf dem er es betreten hatte. Überrascht musste er feststellen, dass er viel länger im Haus gewesen war, als er dachte. Er konnte sich nicht daran erinnern, geschlafen zu haben, aber das musste er wohl: Er konnte den Dunst aus den umliegenden Feldern und Sümpfen aufsteigen sehen, als sich die Morgensonne daranmachte, den Tau verdampfen zu lassen.
    Er durchquerte den Garten, ging an den Nebengebäuden vorbei und fand den Minivan dort, wo er ihn in der Einfahrt zurückgelassen hatte. Er suchte das Fahrzeug ab und bemerkte, dass ein Teil seines Zubehörs immer noch vorhanden war – nicht alles war beim Angriff auf Neptune Island verloren gegangen. Sein Plan, Bradley Jorgenson auszuschalten, war besser umzusetzen als je