Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
abweisen?«
»Das nicht«, meinte Zokora unbewegt. »Nur erscheint der ganze Plunder mir nutzlos.«
»Der Tempel hält jeden Tag eine Armenspeisung ab«, verteidigte sich die junge Sera.
»Ist das so?«, meinte Zokora und zog eine Augenbraue hoch. »Kann man jetzt Gold und Silber essen?«
»Sag nichts«, mahnte Serafine mich mit festem Blick.
Warum sollte ich? Zokora hatte es ja bereits auf den Punkt gebracht.
»Noch rasch etwas zum Protokoll«, warf Stofisk hastig ein. »Es kann sein, dass die Hohepriesterin Euch besondere Gunst erweist und Euch die Hand hinhält … das bedeutet nicht, dass Ihr sie schütteln sollt. Ihr werdet dann auf die Knie gehen und andeuten , den Ring zu küssen. Sie wird Euch dann im Namen der Göttin segnen und …«
»Nein«, sagte Zokora. Ich schaute zu Varosch hin, der Mühe hatte, seine Erheiterung zu verbergen. Mir erging es nicht viel besser.
»Nein?«, fragte Stofisk verwirrt. »Aber …«
»Ich will nicht, dass sie meine Ringe küsst«, teilte Zokora ihm mit. »Also küsse ich nicht ihre. Ich knie nicht vor ihr.«
»Aber es ist üblich …«, begann die Tempelschülerin, um zu stocken, als Zokoras Blick auf sie fiel.
»Bei euch Menschen zeigt das Knien, dass man die Überlegenheit des anderen anerkennt«, erklärte Zokora geduldig. »Sie ist mir nicht überlegen.«
»Aber sie ist die Hohepriesterin der Astarte!«, widersprach die junge Sera tapfer. »Sie hat Anrecht darauf, dass …«
»Hat sie nicht«, teilte ihr Zokora mit. »Ich kenne die Bücher der Astarte. In keiner Zeile steht darin, dass man die Ringe ihrer Priesterinnen küssen soll. Oder vor ihnen knien.« Für ihre Verhältnisse hatte Zokora überraschend viel Geduld bewiesen, doch jetzt gab ihr Ton zu verstehen, dass es damit ein Ende hatte.
Da wir nun schon die kostbar verzierte Tür erreicht hatten, war die Gelegenheit dazu jetzt auch vertan, also schluckte die Tempelschülerin nur, neigte den Kopf … und klopfte an der Tür.
Ein leises »Herein« war zu hören, die junge Sera öffnete die Tür, ließ uns vorgehen und schloss sie wieder hinter uns.
Schwester Ainde war eine schlanke, hochgewachsene Frau, deren Alter nur schwer zu schätzen war, vielleicht hatte es schon fünfzig Jahre überschritten, jedoch ohne die Anmut der Jugend dadurch zu verlieren. Schönheit ist eine der Gaben der Göttin, und Schwester Ainde hatte sie im Übermaß erhalten, das Alter hatte diese nur reifen lassen, wie etwa ein guter Wein zu einer jungen Traube stand. Sie trug die weiße, mit goldenen Streifen verzierte Robe ihres Amts, die jede ihrer Kurven nur betonte, und besaß langes schwarzes Haar, das ihr wahrscheinlich bis zu den Knien gegangen wäre, hätte sie es nicht kunstvoll mit goldenen Nadeln aufgesteckt.
Ihre Augen waren von einem blassen Grau, die Nase gerade, ihr Mund war weit und sinnlich. Die Augen hatte ich nur kurz sehen können, als sie für einen Lidschlag aufblickte, und der Mund drückte eher Missbilligung aus als Freundlichkeit, als sie mit einer knappen Geste auf den Raum vor ihrem großen Schreibtisch wies, der, wie ich ungläubig feststellte, auf goldenen Füßen stand, die man Schwänen nachgebildet hatte. Jeder dieser Schwäne mochte gut fünf Pfund wiegen. Genug, um ein ganzes Dorf über Jahre zu ernähren.
Der Schreibtisch aus dunklem Mahagoni, überreich mit Gold und Einlegearbeiten verziert, war nicht das einzige Ungeheuer in dem Raum, zur linken Hand stand ein Schrank, so übergroß und geräumig, dass eine Familie hätte dort einziehen können, und hinter einem fast durchsichtigen Vorhang konnte ich ein Bett erkennen, groß genug, um einer halben Legion das Lager zu bereiten.
Kostbare Kronleuchter nach Bessareiner Art und aus getriebenem Gold beleuchteten den Raum, die Kerzen darin waren duftgeschwängert und ließen meine Augen sogleich tränen. Das, obwohl es zwei große Fenster gab, beide geöffnet, die den Blick auf einen sorgsam gehegten Garten erlaubten, wo eine ältere Schwester soeben eine Gruppe Tempelschülerinnen zu unterrichten schien, während in einem Zierteich unbeteiligt ein Schwan seines Weges schwamm. Heute Morgen war ich in Braunfels aufgewacht, jetzt stand ich hier und sah auf einen Garten, in dem man einem Schwan einen eigenen Teich angelegt hatte.
Mein Blick kehrte zu Schwester Ainde zurück, doch ihrer kurzen Geste folgte nichts weiter, vielmehr schaute sie wieder auf die eng beschriebenen Blätter aus gebleichtem Papyira hinab, die vor ihr auf dem
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