Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
Schreibtisch lagen, um dann eines dieser Blätter sorgfältig und langsam zu wenden … und weiterzulesen.
Es war nicht meine Idee gewesen, hierherzukommen, dachte ich trotzig, und was die Heilung meiner Schulter anging, vertraute ich ohnehin auf Zokora. Ganz bestimmt hatte ich nicht die Absicht, hier wie ein Tempeljunge herumzustehen.
»Wenn wir ungelegen kommen …«, begann ich, nur um Serafines harten Absatz auf meinem Fuß zu spüren, was mich nicht daran hinderte, den Satz zu beenden, »… können wir auch wieder gehen.«
»Havald!«, zischte Serafine.
»Nein. Bleibt«, sagte Schwester Ainde, ohne von dem Blatt aufzusehen. Ich sah zu Zokora hin, die eine Augenbraue leicht angehoben hatte, während sie sich in dem Arbeitszimmer umsah. Vor allem das goldene Tintenfässchen und die Vase mit den Schreibfedern schienen es ihr angetan zu haben. Dafür drohte mir Serafine mit ihrem Blick, während Stofisk unbehaglich dastand und, wahrscheinlich ohne es zu merken, die ganze Zeit auf seinen Absätzen hin und her wippte.
Ich hatte schon vor einem Barbier Leute stehen sehen, um einen faulen Zahn gezogen zu bekommen, die freudiger gewartet hatten.
Letztlich legte sie das Blatt doch zur Seite, schob mit schlanken, bleichen Fingern den Stapel zurecht und sah mit kühlen Augen zu mir auf.
»Hier«, sagte sie und tippte mit der Fingerspitze auf eben jene Blätter, »steht etwas über einen Nekromanten, der sich mit einer Bestie vereinigt hat. Nachdem Ihr ihn zu dem Haus der Göttin geführt habt, soll er fast unter den Augen der Göttin Schwester Tasra erschlagen haben, die darauf bestanden hat, sich dort für die Bedürftigen einzusetzen, obwohl ich sie davor warnte, sich an diesen rauen, ungeschlachten Ort zu begeben.« Sie atmete tief durch und legte ihre Hände zu einem Dach zusammen, um im gleichen kühlen Ton fortzufahren. »Hier steht, Ihr wäret zugegen gewesen und hättet es nicht verhindert. Bruder Jon sagt, Ihr wäret der Engel Soltars, geschickt, um die Menschen in die letzte Schlacht zu führen und der Dunkelheit zu trotzen. Dennoch wart Ihr nicht imstande, einen Verfluchten daran zu hindern, eine Priesterin der Göttin vor ihrem Tempel zu erschlagen. Wollt Ihr Euch erklären?«
»Nein«, antwortete ich, bevor Serafine etwas sagen konnte. Wenigstens schien es mir jetzt sehr unwahrscheinlich, dass Schwester Ainde uns als Zeichen ihrer Gunst den Ring hinhalten würde.
»Nein?«, fragte sie leicht ungläubig. »Ist das wahrlich alles, was Ihr sagen wollt?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Es scheint mir nichts Falsches in dem Bericht zu stehen.«
»Verzeiht, Eure Eminenz«, begann Stofisk hastig. »Der Lanzengeneral ist eben gerade aus dem Feld zurückgekehrt, und er …«
»… kann für sich selbst sprechen«, beendete die Hohepriesterin seinen Satz, woraufhin Stofisk nur nickte und den Mund schloss. Sie wandte ihren Blick nun Zokora zu.
»Ihr seid die Hohepriesterin der Solante, welche nach Eurem Glauben ein Aspekt meiner Göttin ist, vielleicht sogar sie selbst?«
»Ja«, sagte Zokora. »Schreibt es sich mit Schwanenfedern besser als mit Gänsefedern?«
»Nicht, dass es mir aufgefallen wäre«, antwortete Schwester Ainde, ohne mit der Wimper zu zucken. »Wenn Ihr regelmäßige Rituale durchzuführen habt, können wir Euch dafür gerne einen Raum hier im Tempel zur Verfügung stellen«, fuhr sie fort. »Ihr sollt wissen, dass Ihr im Haus der Göttin immer willkommen seid.«
»Das ist nicht nötig«, meinte Zokora mit der Andeutung eines Lächelns. »Sie weiß, wer ich bin, ohne dass ich sie daran erinnern muss.«
Schwester Ainde nahm dies unbewegt zur Kenntnis. »Ich würde dennoch die Gelegenheit begrüßen, mich mit Euch auszutauschen, um die Unterschiede zwischen unseren Glaubensformen zu erörtern.«
Zokora nickte. »Es wäre auch für mich von Interesse, zu erfahren, warum Sie euch nicht rüstet und euch lehrt, euch selbst zu beschützen.«
»In der Tat«, sagte Schwester Ainde langsam. »Es wäre ein interessantes Gespräch.« Ihr Blick kehrte zu mir zurück.
»Im Namen der Göttin ersuche ich Euch, mir den Kopf des Mörders zu bringen. Ich will ihn hier liegen sehen«, sagte sie und wies auf ihren Schreibtisch. »Werdet Ihr diesen Dienst für Sie auf Euch nehmen?«
Ein feines Lächeln entstand auf Zokoras Lippen. »Vielleicht sind die Unterschiede doch kleiner, als ich dachte.«
»Gerne«, sagte ich knapp. »Sobald ich weiß, wie ich ihn besiegen kann.«
»Ihr wisst es nicht?«,
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