Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
meine Träume, diese fremden Erinnerungen, mussten etwas mit ihm zu tun haben. Hielt ich ihn im Schlaf fern von mir, kamen sie nicht auf. Wäre es nach mir gegangen, ich hätte ihn zurückgelassen, in eine Kiste mit schweren Schlössern gepackt oder in eine Felsspalte geworfen. Aber solange der Verschlinger uns jagte, war er vielleicht die einzige Waffe, die gegen dieses Ungeheuer helfen konnte. Traf ich es denn hart und oft genug.
Es war nicht das erste Mal, dass ich mit meinem Schwert gehadert hatte oder diesen Gedanken nachhing, aber vor dem Attentat auf mich wähnte ich mich mit ihm versöhnt. Jetzt, da ich wusste, dass er zu Ehren Omagors geschmiedet worden war und seine Fähigkeit, mir das Leben derer zu geben, die ich erschlug, der der Seelenreiter gleichkam, war er mir erneut unheimlich geworden. Ich müsste Ekel empfinden, dachte ich, während meine Finger über das kühle Metall des Knaufs glitten, aber so ist es nicht. Er fühlt sich wie immer an, vertraut, als wäre er ein Teil von mir.
»Was ist, Havald?«, fragte mich Serafine.
»Nichts«, wiegelte ich ab. »Nur Gedanken.« Ich blinzelte zur Sonne hoch, die nun merklich tiefer hing. »Ich glaube, wir sollten uns jetzt sputen.«
Als wir die Rampe zum Tor hinuntergingen, nachdem man uns oben an der Palisade derart prüfend gemusterte hatte, als ob man wüsste, dass wir den Kronschatz gestohlen hätten, fanden wir dort unten nicht nur Zokora und Varosch vor, sondern auch meinen alten Freund Ragnar und unseren vermissten Leutnant Stofisk.
Was auch immer es war, das ihn niedergestreckt hatte, er litt noch immer darunter. Seine Haut war blass, die Augen gerötet, jedes Mal, wenn ein lautes Wort gesprochen wurde, zuckte er zusammen oder unterdrückte ein leises Stöhnen, und fast war es mir, als ob sein Gesicht einen grünen Stich besäße. Er sah aus wie tot und nicht begraben, als hätte man nur vergessen, ihm seinen Tod mitzuteilen.
Dennoch hatte er sich Mühe mit seiner Erscheinung gegeben: Er war frisch rasiert und seine Uniform ein Beispiel an Korrektheit. Wäre er auf die Idee gekommen, sein Schwert zu tragen, hätte ich nichts an ihm auszusetzen gehabt.
»Da ist er ja«, dröhnte Ragnar, als er auf mich zutapste wie ein großer Bär, um mich mit seinen Pranken zu umarmen. »Von den Toten auferstanden«, röhrte er, während Stofisk gepeinigt die Augen schloss und das Gesicht verzog. »Jünger als je zuvor und mit einer Schönheit an deiner Seite, ja, so kenne ich dich, mein Freund!«
Genau genommen kannte er mich so nicht, ich war älter gewesen, als ich ihn kennengelernt hatte, und von den Seras hatte ich mich ferngehalten. Aber er war ein Varländer … da musste man es ihm verzeihen.
»Was machst du hier?«, fragte ich ihn überrascht, nachdem ich mich aus seiner Umarmung befreit hatte.
»Dein junger Freund hier«, sagte er schmunzelnd und klopfte dem armen Stofisk derart auf die Schulter, dass dieser nach vorn taumelte, »hat mir gestern mitgeteilt, dass du wieder in der Stadt bist, heute Morgen erfuhr ich dann, dass du in die Südlande reisen würdest, und da ich nicht will, dass mein Weib mich verlässt, wenn ich zu lange von ihr bleibe, dachte ich, ich begleite dich ein Stück.«
»Wir gehen nach Illian«, erinnerte ich ihn. »Die Stadt wird belagert, und das bringt dich ihr nicht näher.«
»Sie wird Verständnis dafür haben«, lachte er. »Willst du mich nicht haben?«
»Doch, schon«, wiegelte ich hastig ab. »Du weißt, dass du immer willkommen bist.«
»Das will ich hoffen«, lachte er und zog Stofisk heran, als wäre dieser eine Puppe. »Weißt du, dass dieser Kerl hier wie ein Nordmann trinken kann? Vrelda findet ihn niedlich, und Angus meint, er kenne eine hübsche Blonde aus Njemersskôl, die genau die Richtige für ihn wäre. Würde ihn aufpäppeln, meint er, womit er recht hat, dein Leutnant ist ein wenig dürr.«
Während Ragnar ihn derart lobte, schien Stofisk immer kleiner zu werden, und sein Blick nahm dieses Ausmaß der Verzweiflung an, das man nur von Mäusen kennt, die auf der Stelle ein Loch brauchen, bevor es um sie geschehen ist.
»Allerdings würde das ein paar von Vreldas Schwertschwestern enttäuschen, einige von ihnen fanden gestern durchaus Gefallen an dem dürren Hecht!«
Woraufhin ich meinte, ein leises Stöhnen des Leutnants zu vernehmen.
»Von Vrelda soll ich dir ausrichten, dass ihr die Idee mit den Minen gefällt, sofern die Schiffe für den Transport bei uns gebaut werden, unsere Werften
Weitere Kostenlose Bücher