Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
übermannt.« Ich sah wenig Sinn darin, es ihnen zu verheimlichen. Ich wurde ja selbst nicht schlau aus dem, was mir geschehen war, vielleicht fiel den beiden etwas ein.
Varosch nickte bedächtig. »Das kann geschehen. Es gibt auch für mich einiges, das ich vergessen will … und das mich aus meinem Schlaf schrecken lassen würde, sollte es mich in meinen Träumen heimsuchen.«
»Das Problem ist«, fuhr ich unbehaglich fort, »dass diese Erinnerung nicht die meine war.«
Serafine sah überrascht auf. »Das musst du erklären.«
Ich hatte meine Zweifel, ob das so einfach möglich war, aber zumindest konnte ich es versuchen.
»Vor knapp siebzig Jahren habe ich eine Handelskarawane von Lassahndaar nach Kelar geführt«, erzählte ich den beiden. »Auf der Strecke hatte es in den Wochen davor immer wieder Überfälle gegeben, was einen wenig verwunderte, wenn man bedachte, dass erst ein Jahr zuvor erbittert zwischen zwei Brüdern um das Land gerungen worden war. Nachdem sich der Streit entschieden hatte, gab es genügend kampferprobte und bewaffnete Männer in dem Land, die sich schwer damit taten, wieder an ihren Pflug zurückzukehren. Dennoch war es seltsam, dass nur die Karawanen überfallen wurden, die besonders wertvolle Ware transportierten, während andere Handelszüge unbehelligt reisten. Während wir im Handelshof zu Lassahndaar warteten, bis der Handelszug vollständig war, fiel mir auf, wie eine der Schankmägde mit ihren Reizen spielte, um die anderen Wachen zu verführen … während sie für einen reichen Händlersohn nur ein schwaches Lächeln übrig hatte. Sie versuchte es auch bei mir und fragte mich dabei aus, allein das erweckte schon mein Misstrauen. In der Nacht vor unserer Abreise schlich sie sich aus ihrem Zimmer … ich folgte ihr und fand sie mit einem anderen zusammen, dem sie berichtete, was die Wagen geladen hatten.«
Ich sah von Varosch zu Serafine hin. »Das waren nicht die üblichen Strauchdiebe. Sie hatten unter dem Banner des Barons Hergfid gekämpft, bis der bei der letzten Schlacht gefallen war. Ihr Anführer, ein Mann mit Namen Derim, hatte in den Kämpfen sogar einen gewissen Ruf erlangt, sodass ich bereits von ihm gehört hatte. Obwohl sie der Verliererseite angehört hatten und das Gold des Barons schon längst verbraucht war, hielten sie sich noch immer in der Gegend auf … und ließen es sich dabei zu gut gehen. Ich hörte, wie die Schankmagd und der Mann besprachen, wo sich dieser mit diesem Anführer der Bande, Derim, treffen wollte. Als wir am nächsten Morgen aufbrachen, brauchten wir nicht lang zu diesem Ort, ich schlich mich davon und fand die beiden Männer vor, wie sie sich berieten und die Beute und die Seras bereits unter sich aufteilten.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich hatte genug gehört und entschloss mich, sie dem Gericht der Götter zuzuführen. Den einen habe ich erwischt, bevor er mich kommen sah, doch der andere leistete erbitterten Widerstand und hatte dann noch das Glück, mich zu schwer zu verletzen.« Ich lächelte verlegen. »Es war nicht mein bester Tag.«
Serafine sah mich fragend an. »Was hat das damit zu tun, was heute Nacht geschehen ist?«
Ich hob hilflos die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich erlebte die letzten Momente des Anführers nach, als wäre es gerade erst geschehen. Ich dachte seine Gedanken, fühlte seinen Zorn … und seinen Unglauben, als er auf Seelenreißer endete. Ich fühlte seinen Tod«, fügte ich schwer hinzu und schluckte. »Alles. Und ich sah mich selbst durch Derims Augen, als ich ihm … mir Seelenreißer in die Brust gestoßen habe.«
Beide sahen mich einen Moment lang an, Varosch nachdenklich, während Serafine entsetzt wirkte.
»Bist du sicher, dass es kein Traum war?«, fragte er dann erschüttert.
»Ja. Daran besteht kein Zweifel. Es war die Erinnerung dieses Briganten an den letzten Docht vor seinem Tod.« Ich fuhr mir unwohl durch die Haare. »Ich hatte den Vorfall schon lange vergessen, und es gab nichts, das mich daran hätte erinnern sollen … und von dem Gespräch, das die beiden zuvor führten, habe ich bis heute Nacht auch nichts gewusst. Es passt alles … es war keine Einbildung oder nur einfach ein Traum, ich lebte die Erinnerung des Mannes, den ich damals erschlagen habe. Und jetzt …« Ich schluckte. »Jetzt weiß ich mehr über ihn, als ich je zuvor wusste oder wissen wollte. Ich weiß, wo er geboren wurde, wie seine Mutter hieß, und dass er als kleiner Junge einen
Weitere Kostenlose Bücher