Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
die Zügel, als ihr Pferd wegen eines fernen Donnerschlags scheute. Von einem Moment auf den anderen, so schien es mir, war es dunkel geworden, und die schwere Wolkenwand war bereits dabei, sich vor den Mond zu schieben.
»Wenn man weiß, was sich wie anhört, kann man es überhören. Ich habe den Regen und den Wind überhört … und übrig blieben ihre Schritte. Seht ihr«, meinte sie ernsthaft, »es ist ganz einfach. Es ist keine dunkle Magie.«
Sie wollte schon davonreiten, doch ich hielt sie mit einer leichten Berührung ihrer Schulter zurück.
»Warum erzählst du uns das?«, fragte ich sie. Sie zögerte und sah dann zu Varosch hin, der etwas abseits mit seinem Pferd beschäftigt war.
»Wegen ihm. Er leidet darunter, dass die Menschen jetzt Angst vor ihm haben. Er ist ja noch immer derselbe, auch wenn er nun eine andere Haut trägt. Es soll niemand denken, dass wir uns in dunkler Magie üben. Sag es ihnen.«
»Aber wir sind nicht mehr in den neuen Reichen«, widersprach ich. »Hier kennt man die Furcht vor deinem Volk doch gar nicht.«
»Das mag so sein«, meinte sie. »Dennoch fürchten deine Soldaten mich.«
»Doch sie wissen, dass du auf unserer Seite bist.«
Sie sah mich direkt an. »Das ändert nichts daran, dass sie mich fürchten. Uns fürchten.« Überrascht sah ich, wie sie schluckte. »Ich kann das nicht, Havald«, fügte sie dann leise und fast verzweifelt klingend hinzu. »Ich kann nicht so sein wie ihr!« Bevor ich etwas sagen konnte, trieb sie ihr Pferd schon davon.
Ich sah ihr verwundert nach.
»Götter«, meinte Serafine so leise, dass ich Mühe hatte, sie über den Wind zu verstehen. »Deshalb also. Ich habe mich schon gewundert, weil sie sich so verändert hat … sie versucht, sich uns anzupassen!«
»Aber warum?«, fragte ich sie. »Sie ist doch, wie sie ist. Warum sollte sie sich ändern wollen?«
Serafine sah mich sprachlos an. »Manchmal bist du ein Idiot«, meinte sie dann. »Sie will ihr Volk an die Oberfläche führen, sie ist schwanger mit Zwillingen, die zur Hälfte menschlich sind. Sie weiß, wie sehr ihr Volk in deiner Heimat gefürchtet wird. Selbst du musst zugeben, dass es mit Recht so ist. Sie versucht, uns zu zeigen, dass sie auch anders sein kann!«
»Jetzt verstehst du nicht«, teilte ich ihr mit. »Zokora braucht sich nicht zu ändern. Ich kannte nie einen treueren Freund als sie. Sie ist ein unerschütterlicher Fels, und sie verliert nie den Mut … ohne sie hätten wir Askir wahrscheinlich nie erreicht, und du würdest noch immer in Eiswehr schlafen.« Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Sie ist nur … anders. Nicht schlechter oder besser als wir, einfach anders. Aber genau das ist es doch, was sie ausmacht … ich sehe keinen Grund, warum sie sich ändern sollte, sie ist gut so, wie sie ist.«
Jetzt war es an Serafine, mich erstaunt anzusehen. »Denkst du wahrhaftig so?«, fragte sie mich. Ich zuckte mit den Schultern.
»Was ist falsch daran?«
»Nichts«, sagte sie leise. Sie beugte sich im Sattel zu mir herüber und gab mir einen schnellen Kuss auf meine stoppelige Wange.
»Wofür war der denn?«, fragte ich erstaunt.
Doch jetzt war sie es, die ihr Pferd vorantrieb und mich zurückließ.
Es waren wohl nicht mehr als fünftausend Schritt bis zu dem verlassenen Dorf, kein wahrlich langer Ritt, aber bevor wir die Strecke halb zurückgelegt hatten, zügelte Varosch sein Pferd neben mir.
»Zokora weint«, teilte er mir mit. »Sie hat gehört, was du zu Serafine gesagt hast.«
Über den Wind hinweg. Den sie wohl überhört hatte. Wieso …
»Aber …«, begann ich, doch er schnitt mir das Wort ab.
»Sie bat mich, dir zu danken«, sagte er lächelnd … und trieb sein Pferd voran.
Ich sah ihm nach und wünschte mir, dass man mir zumindest manchmal noch die Gelegenheit geben würde, etwas zu sagen, anstatt mich auf Pferdehintern starren zu lassen.
»Du hast etwas übersehen«, meinte Zokora zu Mahea, als wir uns dem alten Gasthof näherten, und wies mit ihrer Hand in die Dunkelheit. Nur mit Mühe konnte ich dort einen halb verfallenen Schuppen ausmachen.
»Und was soll das sein?«, fragte die Späherin etwas ungehalten.
»Eine Leiche. Dort im Schuppen.«
»Habe ich nicht«, widersprach Mahea gereizt. »Ihr mögt zwar im Dunklen sehen können, aber vor zwei Kerzen war es noch hell genug, und da war der Schuppen leer!«
»Jetzt ist er es nicht mehr«, antwortete Zokora ungerührt.
»Wir schauen uns das an«, entschied ich mit einem
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