Das Blutschwert
schluckte. Er hasste es, diese Worte aussprechen zu müssen. »Das heißt, einer von ihnen wird sterben.«
16
Der verwüstete Freundschaftsgarten von Sunnydale war nicht der unheimlichste Anblick in Buffys Leben, aber er kam dem sehr nahe. Er war riesig, was sie überraschte und gleichzeitig beunruhigte. Warum war sie früher noch nie hier gewesen? Sie lebte nun schon ein ganzes Jahr in Sunnydale und war davon überzeugt gewesen, die sieben Weltwunder der Stadt zu kennen - aber das hier schlug alles um Längen.
Der Garten lag in einer Mulde. Buffy stand am Rand der Vertiefung und blickte auf die abgestorbenen Bäume und verrotteten Bogenbrücken hinunter. In dem grauen Dämmerlicht konnte sie keine Einzelheiten erkennen.
Der gelbe Strahl ihrer Taschenlampe tanzte über Steinlaternen und kleine rote Tempeldinger. Pagoden! Richtig, fiel es ihr ein, obwohl sie nicht den leisesten Schimmer hatte, woher sie das wusste, wo sie sich nicht einmal an den Begriff Origami erinnert hatte. In der Ferne befand sich ein großes, dunkles Gebäude aus Holz mit einem sanft geschwungenen Ziegeldach. Als es errichtet worden war, hatte es eine Menge großer Hoffnungen verkörpert. Und Geld.
Buffy blickte auf. Die Sonne war nur noch ein Pinselstrich am Horizont. Die Jägerin hörte keinen Laut, nicht einmal das Zirpen von Grillen. Das allein genügte schon, um sie frösteln zu lassen. Aber was sie dann aus dem Gebäude kommen sah, verwandelte ihre Knie in Pudding.
Willow trug ein prächtiges chinesisches Gewand und darüber eine Art metallenen Brustharnisch. Sie hielt einen Speer in der Hand - oder war es ein Langschwert? -, blickte auf, ohne Buffy zu bemerken, und kehrte dann ins Gebäude zurück. In einem der offenen Fenster flackerte Licht.
Buffy schluckte und stieg eine lange Reihe von Stufen hinunter, die zu dem Gebäude führten. Sie war hellwach; ihr Blick wanderte nach rechts und links, während sie versuchte, völlig gelassen und furchtlos zu erscheinen.
Zu ihrer Rechten klaffte ein großes, tiefes Loch, das früher vielleicht ein Teich oder ein See gewesen war. Über das Loch führte eine Holzbrücke, deren Mittelteil irgendwelche Vandalen zerstört hatten.
Buffy marschierte durch den stillen Garten. Plötzlich blieb sie stehen. Weinte da nicht jemand? Sie beschleunigte ihre Schritte. Das Weinen drang aus dem Inneren des Gebäudes. Das konnte nur Willow sein. Zumindest hoffte Buffy das.
Vor dem Gebäude befand sich eine kleine Holzveranda. Vorsichtig und sich der Tatsache bewusst, dass das Holz jeden Moment unter ihrem Gewicht nachgeben konnte, trat Buffy auf die Veranda und spähte ins Haus.
Auf dem Holzboden in der Mitte des leeren Raumes hockte Willow und weinte so heftig, dass ihr die Tränen in Strömen über die Wangen rannen. Vor ihr stand ein prunkvoller roter Kerzenhalter mit großen jadegrünen Kerzen. Sie saß auf einem scharlachroten Kissen und starrte den Speer an, den sie vorhin in der Hand gehalten hatte. Neben ihr auf dem Boden lag ein Schwert. Buffy wollte lieber nicht wissen, wie Willow zu all diesen Dingen gekommen war.
Sie hatte auch nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken. Denn Willow richtete in diesem Moment die scharfe Spitze des Speeres direkt auf ihr eigenes Herz.
»Willow, nicht!«, schrie Buffy und stürzte auf sie zu. Der Boden unter ihren Füßen gab ein seltsames singendes Geräusch von sich, und Buffy stolperte.
Willow hob ruckartig den Kopf. Sie wirbelte den Speer herum und richtete ihn auf Buffy. »Oh. Du bist es nur«, entfuhr es ihr, als sie die Jägerin erkannte. Aber sie starrte ihre beste Freundin mit brutaler Feindseligkeit an und hielt den Speer weiter auf Buffy gerichtet.
»Oh? Ich bin es nur?«, wiederholte Buffy verdutzt.
»Ich dachte, es wäre jemand anderes.« Ihre Tränen waren fort. Sie war eine andere Person. Oh ja, eine völlig andere Person.
»Wen hast du denn erwartet?«, fragte Buffy und schob so unauffällig wie möglich ihre Hand in ihren Jagdbeutel. »Den Pizzaboten? Den Fernsehtechniker?«
Willow schürzte die Lippen. Dann verzog sie den Mund zu einem grausamen, wissenden Lächeln und klopfte auf ein Kissen an ihrer Seite. »Ich erinnere mich, dass mich dein kindlicher Humor früher amüsiert hat. Setz dich doch, während ich auf den Sonnenuntergang warte.«
Buffy rührte sich nicht von der Stelle. Jetzt, wo sie Willow gefunden hatte und das letzte Licht des Tages verglomm, wusste sie nicht, was sie tun sollte.
Willow klopfte weiter auf das Kissen.
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