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Das böse Auge

Das böse Auge

Titel: Das böse Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Wo die Schwingen der Drachen zusammenschlugen, entstanden Luftwirbel, die die Haare der Valunen wild flattern ließen. Steine schossen durch die Senke, doch schlecht gezielt. Vor Wut kreischend, kämpften die Zwerge gegen ihre eigenen schwarzen Mähnen, die ihnen, vor den Augen flatternd, die Sicht auf ihre Gegner nahmen.
    Luxon dankte den Göttern dafür. Er war für einen Moment unschlüssig, als ein Drache direkt neben dem Felsen aufsetzte und den mächtigen, langgezogenen Schädel ganz nahe an ihn und das Kind heranbrachte.
    Dai aber sprach zu ihm und machte Luxon Zeichen. Luxon brauchte seine ganze Willenskraft, um Dai auf den Rücken der Flugechse zu heben. Er hatte das Gefühl, die mächtige Kreatur blickte ihn aus ihren kleinen, unter ledernen Hautlappen liegenden Augen an. Dai rief ihm zu, er solle sich endlich beeilen. Sie hielt sich schon am Hinterkopf des Drachen fest. Doch erst als ein Stein den Fels knapp unterhalb seiner Füße splittern ließ, schwang er sich hinter das Mädchen.
    Sie rief wieder etwas in der Drachensprache. Das waren schnalzende und gurgelnde Laute, wie Luxon sie nie aus eines Menschen Kehle vernommen hatte. Die Valunen rückten jetzt von allen Seiten an. Luxon folgte Dais Beispiel und beugte sich so weit wie möglich auf dem Rücken des Drachen vornüber, als dieser seine Schwingen ausbreitete und sich mit gewaltigem Schlag in die Höhe erhob.
    Luxon bot sich ein überwältigendes Bild. Die anderen Drachen griffen die Valunen an, als wollten sie den Rückzug decken. Sie gruben ihre Krallen in das Geröll vor den Höhlen und schlugen mit ihren furchtbaren Schnäbeln nach allem, was sich regte, während ihre Flügel in dauernder Bewegung waren. Valunen fielen um wie geknickte Grashalme, aber bebend vor Zorn sprangen sie wieder auf und schossen auf die Flüchtlinge. Diese kleinen Plagegeister kannten wahrhaftig keine Angst. Immer höher hinaufgetragen, mußte Luxon sie einfach bewundern, und jeder Flügelschlag, der einen von ihnen fällte, versetzte ihm einen Stich ins Herz.
    Doch auch die Drachen kamen nicht ganz ungeschoren davon. Die Valunen mochten nicht gerade mit Klugheit gesegnet sein. Als sie jetzt aber erkennen mußten, daß ihr alter Häuptling und die neue, kleine Königin mit ihren Steingeschossen nicht mehr vom Himmel zu holen waren, änderten sie ihre Taktik und schossen zu mehreren auf die gleichen Echsen. Vier dieser Ungetüme brachen zusammen, als die kleinen, mit ungeheurer Wucht aufschlagenden Steine aus den Schleudern ihre Panzerhaut durchschlugen. Sofort waren die Zwerge heran und machten ihnen endgültig den Garaus.
    Wieder rief Dai etwas, und als wäre sie wahrhaftig die Herrin der Drachen, stiegen sie alle auf und flogen gen Süden davon. Luxon sah es fassungslos und schaudernd. Er krallte sich in der rauhen Lederhaut fest und beugte sich so weit zur Seite, daß er die Hügel unter sich hinwegziehen sah. Die Valunen in der Senke waren kaum noch auszumachende winzige Punkte, die nun auf den getöteten Drachen standen. Luxon glaubte, ihre wütenden Schreie noch hören zu können, wie sie ihm und Dai Rache schworen.
    Immer höher stiegen die Drachen. Luxons Haare flatterten im Wind. Seine Augen tränten. Er hatte Mühe mit dem Atmen. Dennoch brachte er seinen Mund an Dais Ohr und schrie, um das Rauschen des Flugwinds und das Schlagen der Schwingen zu übertönen:
    »Dai! Sie fliegen nach Süden, noch tiefer in die Düsterzone hinein! Wohin bringen sie uns?«
    »Zu meiner Burg!«
    »Zu… deiner… ?«
    »Zur Burg meiner Mutter!« schrie das Kind. »Warte nur! Sie bringen uns in Sicherheit!«
    Luxon war plötzlich gar nicht mehr so sehr davon überzeugt. Zum erstenmal fragte er sich, welch eine Frau die Mutter eines Kindes sein mochte, das nicht einmal einen Hauch von Furcht vor den Drachen verspürte, das sie sogar lenken und kommandieren konnte.
    Weiter ging es, immer weiter durch Düsternis und wallende Nebel. Auf den Rücken der Drachen tanzten Lichter, als ritten Hexen auf ihnen. Und mit Hexerei ging es hier zu. Luxon hätte es wissen müssen. Er hatte in der Verzweiflung nach dem erstbesten Strohhalm gegriffen, der sich ihm bot. Schon begann er seinen Leichtsinn zu bereuen. Aber hätte er denn bei den Valunen bleiben sollen, wo ihm der Tod gewiß war?
    Mit klopfendem Herzen klammerte er sich auf dem mächtigen Rücken fest und sah vor sich Dais goldenes Haar im Wind flattern.
    Es kam ihm nun so vor, als wäre ihr Kopf in Feuer gehüllt.
    Er sah nicht mehr

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