Das boese Blut der Donna Luna
Begleitung für diesen Abend; er hatte keine Lust, sich in seiner Junggesellenwohnung zu verkriechen und schwitzend vor dem Fernseher zu hocken oder in ein Lokal an der Küste zu fahren, mit irgendeiner seiner weiblichen Bekanntschaften im Schlepptau, die natürlich etwas von ihm wollten, angefangen bei einer Liebesnacht bis hin zu, wenn sie richtig ehrgeizig waren, einem Leben zu zweit oder, schlimmer noch, der Ehe. Nichts als Scherereien, und wenn sie sich dann auch noch verliebten, war die Katastrophe vollkommen. Mit Nelly hingegen war es entspannt, witzig und geistreich. Diese Frau war eine Bombe. Er sah ihr zu, wie sie sich die Lippen leckte – die Fischsuppe war himmlisch, geradezu überirdisch –, sich ein großzügiges Glas Pigato eingoss und zwischen einem Schluck und dem nächsten mit dem herausrückte, was sie seit dem Morgen umtrieb.
»Tano, ich habe den Verdacht, dass dieses Mädchen ... die Erste einer Serie ist. Seit heute Morgen habe ich ständig diese kleine, gehässige Stimme im Ohr, die ich einfach nicht zum Schweigen bringen kann. Frag mich nicht, warum.« Er wollte etwas erwidern, doch sie hob die Hand. »So ist es, und basta. Ich hoffe inständig, dass mich die Tatsachen eines Besseren belehren werden.«
»Weibliche oder polizeiliche Intuition? Aber hatten wir nicht gesagt, wir wollen nicht von der Arbeit reden?«, erinnerte Tano sie. Der Tag im Präsidium hatte gereicht.
»Ist halt so ein Gefühl. Was macht denn einer mit so einem Kopf? Wenn man aus irgendeinem Grund ein Mädchen umbringt, aus Hass, Rache, Eifersucht, was hat dann der Kopf damit zu tun? Wieso nimmt man den mit?«
»Vielleicht hoffte er, dass man sie so nicht so schnell identifizieren würde. Oder vielleicht war er sentimental und wollte ein kleines Andenken.« Tano versuchte, die Sache ins Witzige zu ziehen, doch Nelly hatte ihm den Geschmack an der guten Suppe schon verdorben.
»Aber so eine Sauerei will vorbereitet sein. Allein der Transport grenzt an ein logistisches Wunder. Die Leiche da raufschleppen und sie ablegen, ohne gesehen zu werden, außerdem ist es ganz offensichtlich, dass er sie nicht wirklich verstecken wollte. Ich glaube, das ist bewusst in Szene gesetzt. Aber wozu? Ein armes, unschuldiges Mädchen. Sie ist nicht mal vergewaltigt worden, das hat die Autopsie schon ergeben. Sie ist weder geschlagen noch misshandelt worden. Sie haben ihr einfach nur, wenn man so sagen darf, den Kopf abgetrennt.«
»Was meint Marco dazu?«, fragte Tano resigniert. Nelly war offenbar nicht zu stoppen.
»Marco hat sich auf den Typen eingeschossen, der sie gefunden hat, ein massiger Kerl, der nicht weit vom Fundort wohnt. Morgen zeigen wir sein Foto einer Freundin von Paulette N’diaye, die einen Italiener kennt, mit dem sich Paulette ein paar Mal getroffen hat. Das wär natürlich ein starkes Stück, wenn es sich dabei um unseren Zeugen handelte ...«
»Und was, wenn es eine Art mafiöse Warnung an die Tante wäre? Wenn es darum ginge, diese Madame Claire zu erschrecken und einzuschüchtern? Vielleicht bekommt sie den Kopf zugeschickt. Hübsch eingepackt und mit Schleifchen drum.«
Nelly hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und das Kinn in die Hände gelegt. Ihre haselnussbraunen Augen waren zu zwei Schlitzen zusammengekniffen.
»Das ist keinesfalls abwegig. Aber auch dann ist nicht ausgeschlossen, dass ein weiteres Mädchen dran glauben muss, oder sogar Claire selbst.«
»Stimmt. Aber heute Abend können wir sowieso nichts tun, außer uns noch etwas zu bestellen. Was nimmst du nach der Fischsuppe?«
Die Ungeduld in Tanos Stimme war nicht mehr zu überhören. Nelly lehnte sich zurück und ließ endlich vom Thema ab.
» Fritto misto. Ich trainiere für Olympia, Diskuswerfen.«
»So ein Blödsinn, du bist perfekt. Tipptopp. Wunderschön. Okay, für mich auch ein Fritto misto.« Der Polizeivize lächelte erleichtert und hoffte, dass die Unbeschwertheit von zuvor sich wieder einstellen würde.
II
Der Pigato war Nelly bei der Hitze sofort zu Kopf gestiegen. Oder konnte es daran liegen, dass sie zwei Flaschen geleert hatten? Als sie die Augen öffnete, weil ihr Handy fiepte, konnte sich die Kommissarin nicht mehr genau erinnern, wie der Abend geendet und sie in ihr Bett gekommen war. Zum Glück (?) lag sie allein darin, also war ihre Treue noch unversehrt, dachte sie mit einem flüchtigen Lächeln und ging ans Telefon.
»Nelly?«
»Marco. Was ...«
»Wir haben eine weitere Leiche
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