Das boese Blut der Donna Luna
die Tür zu begleiten. Spontaner Abort zu Beginn des dritten Monats, möglicherweise aufgrund hormoneller Störungen, doch dem Mädchen ging es bestens, es bestand keinerlei Gefahr. Sie musste lediglich ein paar Tage zur Beobachtung bleiben und würde einige Transfusionen bekommen, denn sie hatte reichlich Blut verloren.
»Sagen Sie«, er sah Nelly eindringlich an, »wollten die beiden das Kind?«
Sie breitete die Arme aus. »Ich weiß es nicht, sie hatten sich noch nicht entschieden.«
»Sie sind sehr jung, vielleicht ist es besser so, später können sie so viele Kinder bekommen, wie sie wollen.«
Für ihn war der Fall erledigt. Er verabschiedete sich und verschwand im nächsten Krankenzimmer. Monica hatte begriffen und schluchzte im Bett leise vor sich hin. Mau drückte sie an sich und murmelte ihr tröstende Worte ins Ohr.
Um sich nicht völlig überflüssig zu fühlen, ging Nelly Zeitungen und Zeitschriften, Mineralwasser, Fruchtsäfte, ein schönes rosa Spitzennachthemd und Binden kaufen, Ultra, wie die Krankenschwester gesagt hatte. Sie fühlte sich entsetzlich leer, das virtuelle Kind hatte bereits einen Platz eingenommen, und jetzt war es nicht mehr da. War es gut oder schlecht, dass es so gekommen war? Schwer zu sagen, und vor allem sinnlos. Es war so gekommen, und basta. Maus und Monicas Leben waren wieder ein unbeschriebenes, wenn auch ein wenig zerknittertes Blatt.
Als Nelly zurückkam, war Monica mit einem schmerzvollen Ausdruck auf dem blassen Gesicht eingeschlafen. Sie schickte Mau etwas essen, dann setzte sie sich neben das Mädchen und versteckte sich hinter einer Zeitschrift, um sich nicht die komplette gynäkologische Vita der alten Patientin anhören und auf deren neugierige Fragen antworten zu müssen.
XX
So war der vorige Tag vergangen, im Krankenhaus, an Monis Bett, die entweder unter Beruhigungsmitteln schlief oder weinte. Abends war Manuela glücklicherweise ohne Federica wiedergekommen, um Nelly und Mau abzulösen. Mau dachte gar nicht daran, sich wegzubewegen, aber schließlich war er doch mit Nelly nach Hause gegangen und in einen tiefen, ohnmachtsähnlichen Schlaf gefallen.
Das war Freitag gewesen, der letzte Tag, den sich Nelly freigenommen hatte, und jetzt war Samstagmorgen. Vom Meer her wehte wieder eine heiße Brise, als hätte jemand einen Föhn auf höchste Stufe gestellt, und Mau war gleich nach dem Aufwachen ins Krankenhaus gerannt, während seine Mutter sich fürs Büro fertigmachte.
Auf einem Stuhl am Eingang lag, nachlässig hingeworfen, die Post der letzten Tage, sie hatte sie nicht geöffnet. Abwesend ging sie sie durch. Dann nahm sie einen großen, braunen Umschlag in die Hand und wog ihn prüfend. Ziemlich schwer. Sie ging ins Nebenzimmer, um ihn zu öffnen. Kaum sah sie den Namen des Absenders, kam sie sich vor wie ein Kind vor einem unverhofften Weihnachtsgeschenk. Denn dieser Brief kam geradewegs aus dem Jenseits.
Er war von Gemma Pieretti. Vor lauter Ungeduld hätte Nelly fast eines der inliegenden Blätter zerrissen. Sofort war ihr klar, dass sie möglicherweise den unmittelbaren Grund für den Tod der Journalistin in den Händen hielt. Der Laptop, den sie stets bei sich getragen hatte, war mit ihr zusammen verschwunden und auch in Zannis Wohnung nicht wieder aufgetaucht. Es gab keine Backups ihrer Arbeit, doch ein letzter Funken Umsicht hatte sich offenbar gegen den professionellen Ehrgeiz der jungen Frau durchgesetzt und sie vor ihrem letzten Interview dazu gebracht, diesen Umschlag an die Kommissarin loszuschicken.
Er enthielt nichts Entscheidendes, keinen triftigen Beweis, doch obwohl einige wichtige Mosaiksteinchen fehlten, setzte sich vor Nellys innerem Auge ein Gesamtbild zusammen. Wenn das, was aus diesen Blättern hervorging, ein Zufall war, so war er unglaublich, ja, geradezu unwahrscheinlich, und Nelly glaubte schon seit einer ganzen Weile nicht mehr an Zufälle. Sie steckte den Umschlag in die Tasche und machte sich auf den Weg ins Präsidium. Sie musste mit Tano reden.
Instinktiv machte sie nicht bei Beppe halt, wieso eigentlich nicht, jetzt, da alles vorbei war, aber sie hatte keine Lust, war viel zu eingenommen von der Neuigkeit und hatte es eilig. Ihre physischen und mentalen Kräfte waren zurückgekehrt, doch in ihrem Innern flimmerte noch ein leises Zittern, ein verkappter Schmerz, eine ungestillte Unruhe.
Sie bog um die Ecke und wäre beinahe mit Claire zusammengestoßen, die dort stand, als hätte sie auf sie gewartet. Und so war es
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