Das boese Blut der Donna Luna
Straße, seufzt Nelly erleichtert und wie von einem Albtraum befreit auf. Ihre Aggression gegenüber Palmieri geht ihr noch immer nach.
»Was für ein elendes Haus!! Wunderschön, okay. Aber ich an seiner Stelle hätte das sofort verkauft, nach all dem Mist, der da passiert ist.«
»Na ja, allzu oft hält er sich da ja nicht auf, höchstens ein paar Tage im Monat, soweit ich weiß.« Tano zieht die Augenbraue hoch und dreht sich noch einmal nach der Villa Camelia um, die in seinen Augen nichts anderes ist als ein schönes, großes Haus.
»Stimmt. Aber allein beim Reingehen würde ich jedes Mal Gänsehaut bekommen. Weg, weg damit, stattdessen was Kleines, Modernes, weit weg von den Erinnerungen. In diesem Haus ist etwas ... das geballte Unglück ...«
Nelly kann sich gerade noch rechtzeitig bremsen, sie merkt, dass Tano sie mit gerunzelter Stirn und wachsendem Erstaunen ansieht. Vielleicht glaubt er, die Hitze schlägt ihr aufs Hirn. Und vielleicht hat er recht. Es ist bestimmt schwer, sich von so einem Objekt zu trennen. Generationen haben dort gelebt, es ist voller schöner Dinge, voller Geschichte.
»Weißt du, was ich glaube, Nelly? Dass unser Freund deswegen Psychologe geworden ist, weil er das Schicksal seiner Eltern begreifen will, die Krankheit seiner Mutter, ihr drammatisches Ende. Und um darüber hinwegzukommen.«
»Das glaube ich auch. Dramatisches Ende, Tano, dramatisch, nicht drammatisch .«
»Du willst mir wohl auch noch das letzte bisschen Neapolitanität austreiben, was? Ich sag doch schon ›Belin‹, reicht dir das nicht? Drammmmatisches Ende, ich bleib dabei.«
»Okay, okay, lass uns kein Dramma daraus machen.«
Sie lachen wie die Kinder und vergessen für einen Moment die grausige Wirklichkeit.
»Es ist fast sieben, wenn du willst, bring ich dich nach Hause und springe dann in Punta Chiappa ins Wasser. Oder willst du mich vielleicht begleiten?«
»Danke, Tano, ein andermal gern, aber heute Abend nicht, ich bin am Ende und muss auch noch einkaufen. Mein Kühlschrank weint.«
»Versprochen, ja? Demnächst fahren wir zusammen nach Punta Chiappa und gönnen uns danach den Fisch in dieser Trattoria ...«
»Versprochen! Das Angebot mit dem Fisch ist für einen Vielfraß wie mich einfach unwiderstehlich. Eben nur nicht heute.«
Die Zikaden machen noch immer einen Höllenlärm. Hier im Grünen hört man sie sogar in der Stadt. Doch kaum sind sie um die Ecke gebogen und steigen ins Auto, wird die unwirkliche, entrückte Atmosphäre der Creuza vom Verkehrslärm verschluckt und mit ihr der seltsame Zauber der Villa Camelia, der Nelly aufs Gemüt geschlagen ist.
»Ach, Tano, tu mir doch einen Gefallen und lass mich beim erstbesten Supermarkt raus. Ich bin eine Rabenmutter und lasse mein prüfungsgebeuteltes Kind verhungern.«
»Aber gern, und ich warte sogar auf dich, dann kann ich dir die Einkäufe nach Hause fahren. Was macht Mau, lernen?«
»Wenigstens sieht es so aus. Jetzt, wo er sich vor Angst fast in die Hosen macht, schläft er zumindest nicht sofort ein, sobald er ein Buch aufschlägt. Er lernt mit Monica, weißt du?«
»Die blonde Elfe, ich erinnere mich. Was für ein Schnuckelhintern, und was für Augen!«
»Genau, die blonde Elfe ...«
»Ist was nicht in Ordnung, Nelly?«
»Krise zwischen Verliebten, und ich mittendrin, nichts Ernstes«, sagt sie, um weiteren Fragen vorzubeugen. Tano versteht und fragt nicht weiter. Er lässt den Wagen an, und sie setzen sich Richtung Stadtzentrum in Bewegung.
Nelly bedankte sich, stieg aus dem Auto und griff sich die Einkaufstüten. Um Mau wieder milde zu stimmen, hatte sie sogar in der rosticceria 6 {6} angehalten und ihm kurz vor Ladenschluss noch Russischen Salat und gefüllte Kalbsbrust gekauft, weil sie wusste, dass er verrückt danach war. Mit Mühe drückte sie die Wohnungstür auf und rief: »Ciao, alle miteinander. Es gibt Futter!!« Unwirkliche Stille. Nur ein verzweifeltes Miauen war zu hören, und als Erstes musste sie die drei hungrigen Katzen füttern. Doch auch ihnen schien die Hitze auf den Magen zu schlagen, sie waren weniger verfressen als sonst.
Auf der Terrasse lagen offene Bücher, von den Kindern keine Spur. Als sie alles in die Küche geschleppt und die Einkäufe bis auf eine ordentliche Scheibe Kalbsbrust im Kühlschrank verstaut hatte, machte sie sich einen gemischten Salat, setzte sich mit dem vollen Teller auf die Terrasse und ließ den Blick übers weite Meer gleiten. Es war hitzegrau, die
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