Das boese Blut der Donna Luna
aneinandergeraten sind und denen wir helfen, wieder auf die richtige Bahn zu kommen ... vielleicht einer der ehemaligen Drogenabhängigen, wer weiß, oder einer, der noch im Entzug ist, sicher sein kann man sich nie ... Ach, übrigens, ich will niemanden beschuldigen, Gott bewahre, und vielleicht ist es Ihnen bei der Überprüfung seiner Vergangenheit auch schon untergekommen und ich sage Ihnen nichts Neues. Wussten Sie, dass der erste Verdächtige, Gianluca Sonni, wegen Heroinsucht drei oder vier Jahre bei uns in Therapie war? Das war vor rund zehn Jahren, da war er noch sehr jung. Er war in der Wohngemeinschaft, hat dann bei uns eine Klempnerlehre gemacht und sich wieder perfekt integriert. Ein toller Junge, wirklich, er hat’s geschafft und ist wieder auf der Schiene, ich will ihn beim besten Willen nicht in schlechtes Licht rücken, ganz im Gegenteil ... Sie haben ihn ja auch wieder auf freien Fuß gesetzt ... Er zum Beispiel geht uns hin und wieder zur Hand und hilft denen, die in der gleichen Lage sind wie einst auch er. Der hat es hundertprozentig geschafft. Um ein Beispiel zu geben, was wir hier leisten.«
Nelly traf fast der Schlag. Mit offenem Mund starrte sie Manara an. Und dieses Arschloch von Don Silvano hat »vergessen«, mir das zu sagen! Verfluchte Scheiße! Dem werde ich heimleuchten, diesem schoflen Wohltäter! Scheinheiliger Lügner! Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
»Nein, ich glaube nicht, dass uns das bei den ersten Ermittlungen untergekommen ist, diese Jugendsünden und seine derzeitigen Aktivitäten, meine ich. Wann hilft er denn hier aus? Denn wie es aussieht, ist er verschwunden, wissen Sie. Seit vorgestern.«
»Verschwunden? Aber ich bitte Sie, Dottoressa ...! Allerdings habe ich ihn seit ein paar Tagen nicht gesehen, ich glaube, er ist morgen für die Mensa eingeteilt.«
»Schön, wir werden das kontrollieren. Und sollten Sie ihn sehen oder sprechen, seien Sie so freundlich und geben Sie uns Bescheid. Und jetzt sagen Sie mir bitte noch, kannten Sie auch die letzten Opfer, Ermelinda Gómez Ventura und Dolores Nieto Llosa? Hatten auch sie Ihren Rechtsbeistand eingeholt?«
»Die sind in den vergangenen Monaten mehrmals hier gewesen, konnten sich aber auch nicht entschließen. Diese Menschen haben Angst vor Repressalien, wissen Sie, und sie haben nicht ganz unrecht. Ein gewisser Diego Cortez hatte sie überredet, zu mir zu kommen, der Freund von der Nieto Llosa.«
»Und wieso sind sie hier gewesen?«
Manara nahm seufzend die Brille ab und blickte Nelly aus seinen kurzsichtigen Mäuseaugen an. Graublau, korrigierte Nelly. Blinder als ein Maulwurf. Er war in der Zwickmühle, unschlüssig, ob er weiterreden sollte oder nicht.
»Na los, Avvocato, ihre Mandantinnen sind tot. Raus damit.«
»Haben Sie ... Giulia Bergonzi kennengelernt? Dolores’ Arbeitgeberin?«
»Ah, verstehe. Es geht um ›Eine Chance für die Frauen‹. Don Silvano hat mir angedeutet, dass da was nicht ganz koscher ist, aber das hatte ich schon selbst vermutet.«
»Na ja, deren Wohltätigkeit hat einen recht eigennützigen Zug. Ehrlich gesagt wäre ich froh, wenn ich die für ihre Verlogenheit drankriegen könnte. Aber auch deren Schützlinge haben Angst, den Mund aufzumachen, oder sie tun es nicht aus einer verqueren Dankbarkeit heraus. Auch Dolores, und es ging vor allem um sie, traute sich nicht, die Bergonzi wegen ihrer, sagen wir mal ... arbeitnehmerfeindlichen Art anzuzeigen. Eine Sklavin, glauben Sie mir. Doch sie konnte ihren Sohn bei sich haben, und das war das Allerwichtigste für sie. Dann hatte sie diesen Mann kennengelernt, Diego, und wollte mit ihm zusammenziehen, doch damit wäre sie bei der Bergonzi in Ungnade gefallen – und ich versichere Ihnen, mit der ist nicht gut Kirschen essen. Diego und sie hätten ihre wenn auch schlecht bezahlte Arbeit verloren. Er war dazu bereit, sie war unentschlossen. Ich habe ihnen versprochen, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um ihnen zu helfen, doch am Ende haben sie sich dagegen entschieden.«
»Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
»Gesehen? Das ist noch nicht lange her, am Sonntag, glaube ich.« Manara dachte angestrengt nach. »Ja, so gegen vier, halb fünf nachmittags. Ich kam gerade vom Verein, und Dolores, Ermelinda und Diego saßen an einem Tisch vor dem Club der ARCI, dem ›Speranza‹. Wir haben uns gegrüßt, sonst nichts. Ich hatte keine Ahnung, dass ich sie nie wiedersehen würde.«
»Tja. Und was haben Sie dann gemacht,
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