Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
verschwinde. Da ist ein Trick dabei. Es ist nicht einfach, die Platte hochzuschieben, aber sie geht ganz leicht wieder herunter. Das schaffst du mit einer Hand. Drinnen ist es hübsch warm. Ich hab’s euch bequem gemacht.«
» Wird es dunkel sein?«
» Tja, das schon, aber du willst doch, dass das Baby schläft, oder nicht?«
» Ich lege sie nicht in ihr Bettchen«, sagte Kerry. » Sie kann auf meinem Arm einschlafen, dann brauche ich sie nicht zu stören, wenn wir losgehen.«
» Von mir aus. Und dann wartest du einfach, bis ich euch beide holen komme. Du kommst nur heraus, wenn ich da bin.«
» Und dann ist alles vorbei?«, fragte sie.
» Ja. Nachher ist alles anders.« Reflexhaft tastete meine Hand nach dem Messer in meiner Tasche. Mit dem Erfolg meines Plans wäre Kerry überflüssig. Ganz gleich, welchen W eg ich in meinem neuen Leben ginge, für sie wäre darin kein Platz. Fast tat sie mir leid.
ZWEIUNDVIERZIG
Ich fand es unfassbar, dass Leute freiwillig zu einer V eranstaltung wie diesem Teerfässer-Fest gehen und sich, wenn sie einmal da waren, aufführen konnten, als machte es Spaß, sich Schulter an Schulter durch dreckige, enge Straßen zu drängen. Der Nebel hatte sich größtenteils aufgelöst, aber ich wäre dankbar gewesen, wenn ich das meiste dessen, was da geboten wurde, nicht hätte sehen müssen. Es sah aus wie Szenen eines W ikingerüberfalls, nur dass die Menschen, statt aus dem brennenden Dorf zu fliehen, immer weiter hineinströmten. Sie hingen aus den Fenstern in den oberen Stockwerken, und Gelächter und Gesang hallte aus Pubs und W ohnhäusern. Der Geruch von Menschenleibern und Bier, Hotdogs und Feuer attackierte die Nase, und desorientierendes Gejohle wehte um die Ecken wie W ind. In verachtungsvoller Fassungslosigkeit sah ich zu, wie die MacBrides einander lachend umarmten und alte Freunde küssend und winkend begrüßten. Als die Menge sich an die Hauswände drückte, um Platz für einen V ollidioten zu machen, der ein loderndes Fass huckepack trug, setzte Felix mir einen kleinen Jungen auf die Schultern. Mein Instinkt verlangte, dass ich das Kind ins Gedränge schleuderte, aber ich beherrschte mich selbst da noch, als er sich an meinen Haaren festhielt. Es wäre nicht gut, wenn ich so weit gekommen wäre, nur um dann wegen eines Kindes die Geduld zu verlieren.
Meine Rettung erschien in Gestalt eines grölenden Lümmels, der irgendetwas über Felix’ Gesicht schrie, und ich dankte meinem dreizehnjährigen Ich dafür, dass es mir jetzt eine Ausstiegsmöglichkeit eröffnete. Felix stürmte in Richtung Pub davon, und ich übergab das Kind an seinen V ater. Ich streckte die Hände hoch, erst nach links, dann nach rechts, als wollte ich mich für eine Aerobic-Runde aufwärmen, und in meinem Rücken knackte etwas. Es klang, als wäre ich auf einen Zweig getreten. » Ich gehe mit und passe auf ihn auf«, rief ich und deutete mit dem Kopf auf Felix. Sobald die anderen außer Sicht waren, tat ich nicht mehr so, als folgte ich Felix, sondern drängte mich aus den Menschenmassen hinaus.
Am oberen Ende des Dorfs stand eine Kirche, und die Straßen ringsherum waren von eiscremebunten georgianischen Häusern gesäumt. In der relativen Ruhe des Friedhofs setzte ich mich hin. Auf einer Gedenktafel war zu lesen, dass die Stadt der Geburtsort Samuel Taylor Coleridges sei. Kein W under, dass er Drogen genommen hatte.
Dort oben zogen die Nebelschleier wieder auf wie ein Chiffonschal, den man zwei Meter hoch über den Boden wehen ließ. Das Atmen war viel leichter. Ich projizierte Bilder meines Lebens bis zu diesem Augenblick in den flackernden Himmel und sah mich selbst in verschiedenen Phasen vom unterernährten Kind über den nervösen jungen Mann bis zu dem, der ich heute war, wer immer das sein mochte.
Um halb zehn ging ich zum Lamb and Flag, zu dem Pub, in den ich Felix hatte gehen sehen. Er stand mit einem Pint dunklem Ale in einem Plastikbecher draußen auf dem Gehweg, in ein Gespräch mit einem bärtigen Bauernlümmel vertieft. Er winkte mich heran und stellte mich vor: Ich sei » sein Schwager oder so gut wie«. Ich hatte erwartet, dass er sein Leid ertränken würde, aber er war anscheinend völlig nüchtern, und ich war froh. Ich wollte nicht, dass der Alkohol dämpfte, was als Nächstes kommen würde. Auf der Suche nach den anderen liefen wir eine gute Stunde lang herum, über eine Kirmes, ein Stück weit am Fluss entlang und über eine Brücke, neben der ein riesiges
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