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Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Titel: Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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Silvester setzte sie mich zu einem übergewichtigen Trottel, den ich schon beim letzten Mal kennengelernt hatte. Die Erinnerung daran war unerträglich, und so tauschte ich die Platzkarten, sodass ich neben jemandem namens Rowan MacBride zu sitzen kam, der mit Verspätung eintrudelte und die Fahrradklammern von seinen Hosenbeinen entfernen musste. Diana war zu sehr mit ihren Cocktail-Shakern und einem Servierwagen beschäftigt, um den Wechsel mitzubekommen. Als sie es bemerkte, saßen schon alle, und sie konnte nichts mehr ändern, ohne dass es kleinkariert ausgesehen hätte. Aber erst als ich den niedergeschlagenen Ausdruck in ihrem Gesicht sah, begriff ich, dass sie es ernsthaft auf ihn abgesehen hatte, und ich bekam ein verzweifelt schlechtes Gewissen. Aber was konnte ich tun? Als der Hauptgang kam, war ich verliebt. Das gehört zu den wenigen Geheimnissen, die ich vor Rowan je hatte. Anfangs schämte ich mich dafür, aber als ich mir seiner sicher war, hatte ich mich daran gewöhnt.
    Seltsam, wie die Schuldgefühle bleiben und die Reue nicht. Wie gut es sich anfühlt, mir das von der Seele zu schreiben! Ich vergesse immer, wie es sich mit dem Schreiben verhält, wie gut es die Dinge in eine Perspektive setzen kann. Wenn man den Geist aus der Flasche entweichen lässt, erwacht er oft nicht zum Leben, sondern verweht in der Luft. Vermutlich wird früher oder später alles, was ich je getan habe, hier oben enden, in diesen fragmentarischen Erinnerungen, diesem Album eines Lebens.
    Lydias übersensibles Gewissen ließ mich hoffen und zugleich verzweifeln. Ich hoffte, weil betrügerische Machenschaften im Zusammenhang mit meinem Stipendium tatsächlich eines Tages zu Papier gebracht werden würden. Und ich verzweifelte, weil es noch dreißig Jahre dauern konnte. Was würde ich dann tun?
    Immer wieder las ich die letzte Zeile und versuchte, ihr das Versprechen zu entnehmen, dass weitere Geständnisse aufscheinen würden wie mit Zitronensaft geschriebene Worte, die man über eine Flamme hielt.

ZWANZIG
    Mit etwas Übung brachten mich meine Tresorknackerfähigkeiten bald in einer halben Stunde statt in einem halben Tag zum Ziel. Aber Lydia machte es mir nicht leicht. Die Bände waren nicht geordnet und äußerlich nicht zu unterscheiden, und oft knackte ich dasselbe Schloss zweimal. Erst nach Monaten kam ich auf die Idee, die Tagebücher, die ich gelesen hatte, mit einem kleinen Kratzer am Einband zu markieren, und kurz danach stieß ich auf den Band für 1998. Ich las ihn von der ersten bis zur letzten Seite durch, aber Felix’ Eintritt in die Schule wurde nicht erwähnt. Es gab nur einen langen, weitschweifigen Abschnitt darüber, wie erwachsen Lydias kleiner Junge schon war und wie schick er in seiner Schuluniform aussah. Meine Mutter deutete diese Unterlassung an sich schon fast als Geständnis. » Warum hat sie nichts darüber geschrieben?«, fragte sie, als sie über der schon völlig zerfledderten Seite brütete, die ich ihr kopiert hatte.
    » Weil es eine andere Sorte Tagebuch ist. Sie schreibt nicht in chronologischer Ordnung. Ich habe eine Eintragung aus diesem Jahr gefunden, in der sie darüber schreibt, wie sie in den Siebzigerjahren ihren Mann kennengelernt hat. Sie springt hin und her. Darum muss ich ja alles lesen. Es geht rückwärts und vorwärts.«
    » Man sollte doch meinen, sie besäße die Fähigkeit, Querverweise und Stichworte zu liefern. Daran sieht man schon, dass sie keine echte Akademikerin ist.« Ein seltsames Flackern auf den Lippen meiner Mutter explodierte zu einem lauten » Ha!«. Als ich erkannt hatte, dass sie lachte, war es schon vorbei. » Das ist doch verdächtig, findest du nicht?« Sie zog die Knie unter das Kinn. » Das Fehlen fällt auf. Etwas so Bedeutsames wie den Eintritt seiner Kinder in eine der besten Schulen des Landes kehrt man nicht einfach unter den Teppich. Wenn uns das gelungen wäre, hätte ich ein Buch darüber geschrieben. Was glaubst du, Darcy? Ist es, weil seine Aufnahme dort schon ausgemachte Sache war? Weil sie zu clever sind, um sich selbst zu belasten, und sei es auch nur in einem geheimen Tagebuch?«
    Vielleicht auch nur, weil das gestohlene Stipendium und der Verfolgungsfeldzug kaum mehr als das Hirngespinst eines paranoiden und in Auflösung begriffenen Verstands waren. Dieser illoyale Gedanke war mir so schnell in den Sinn gekommen, dass er dichter unter der Oberfläche lauern musste, als ich zuzugeben wagte. Aber statt so zu antworten, redete ich ihr

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