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Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Titel: Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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nennen?« Er stach mit dem Finger in meine Richtung. » Du hungerst dem Jungen die Pubertät aus dem Leib! Mein Gott, Heather! Was soll das sein– irgendeine krankhafte Versicherung gegen das, was dir passiert ist? Weißt du, an manchen Tagen bin ich so dicht davor, das Jugendamt anzurufen und denen zu sagen, was hier oben wirklich vorgeht.«
    Danach kam Kenneth eine ganze Weile nicht mehr zu uns herauf. Das Jugendamt rief er nicht an, und ich sah ihn danach weiterhin, aber der Unterricht fand in Cafés und Biergärten statt, gelegentlich auch in einer ruhigen Ecke bei einem der diversen Buchmacher in Saxby, während die Frauen hinter der Theke ein Auge zudrückten. Wenn unsere Gespräche auf Grund liefen, teilten wir uns die Zeitung– die vorderen Seiten für mich, die hinteren für ihn– und unzählige Schalen Chips. Wenn Heather versuchte, mir die Pubertät aus dem Leib zu hungern, bemühte er sich, mich durch Zwangsernährung zum Erwachsenen zu machen. Ich hätte das Junkfood, das er mir kaufte, gern abgelehnt, aber ich konnte keine überzeugende Ausrede anführen, ohne die Wahrheit ans Licht zu bringen. Es war kein Geheimnis, dass ich Kochen lernte, aber ich fühlte mich versucht, ihm auch von der Butter und den Kalorien zu erzählen, die ich heimlich in ihren Körper schmuggelte. Ich wollte es ihm gern erzählen, damit er mich in Ruhe ließ und auch, glaube ich, weil ich für den Erfindungsreichtum gelobt werden wollte, mit dem ich mir eine neue Fertigkeit aneignete. Aber es wäre mir illoyal vorgekommen, mich Kenneth anzuvertrauen, und außerdem hätte ich dadurch, dass ich die Existenz des Problems zugab, auch zugegeben, dass ich es allein nicht lösen konnte. Und ich kam ja schrittweise voran. Meine Garderobe und die meiner Mutter waren austauschbar, und ich war ziemlich sicher, das kam, weil ich zugenommen hatte, nicht, weil sie schrumpfte.
    » Ich weiß, du machst das alles mit, um deine Mutter bei Laune zu halten, aber manchmal frage ich mich, ob du nicht anfängst, selbst daran zu glauben«, sagte er eines Tages bei Pommes und Ketchup in einem Pub, in dem Fernsehübertragungen vom Pferderennen liefen. » Du weißt, du kannst nicht einfach etwas… ins Leben rufen, wenn es nicht existiert, nur weil sie es möchte.«
    Die winzigen Gesichtsmuskeln, die nur dazu dienen, die Tränen zurückzuhalten, spannten sich plötzlich an. Ich wagte nicht zu sprechen, weil ich Angst hatte, sie oder mich zu verraten– was ein und dasselbe gewesen wäre.
    » Ich wollte dich nicht aus der Fassung bringen«, sagte er. » Tut mir leid, ich konnte so was noch nie besonders gut. Was ich sagen will, ist… Deiner Mum, der geht’s nicht besonders gut. Noch nie. Diese ganze Phantomjagd ist ja nicht vernünftig. Ich meine, was ist, wenn du erwischt wirst? Dafür könntest du ins Heim kommen. Wie soll das deiner Mutter dabei helfen, einen verdammten Oxfordabsolventen großzuziehen?«
    » Ich bin sehr vorsichtig«, sagte ich mit erstickter Stimme. » Und ich könnte eines Tages ja doch etwas finden.«
    » Das glaubst du selbst nicht, das weiß ich«, sagte Kenneth.
    Ich zuckte die Achseln und lutschte die weiche Kartoffelmasse aus der knusprigen Hülle einer Pommes. Ich hatte es längst aufgegeben, bei Kenneth Verständnis zu suchen. Er wusste nicht, wie es war, bei jemandem an erster Stelle zu stehen. Er wusste nichts von der Verantwortung, die es mit sich brachte. Er würde nie begreifen, dass dieser Feldzug– Phantomjagd hin oder her– die Liebe meiner Mutter an mich band, wie es ihre Zukunftsträume während meiner ganzen Kindheit getan hatten. Ich war so lange daran beteiligt, dass er mein ständiger Begleiter geworden war, wie ein einsames Kind einen unsichtbaren Kameraden hat, der ihm von Zimmer zu Zimmer folgt.

NEUNZEHN
    August 1999
    Die saftigen, vulgären Gerüche des Hochsommers wetteiferten mit den Auspuffgasen des Verkehrs rund um Cathedral Green, aber in Lydia MacBrides Arbeitszimmer war die Luft kühl und still. Zuerst hielt ich das Buch auf ihrem Schreibtisch– dick, braun, in Leder gebunden– für eine Bibel. Eine goldene Schließe, die in der Mitte offen herabhing, erwies sich bei näherem Hinsehen als vierstelliges Kombinationsschloss. Als ich das Buch aufklappte und nicht die erwarteten bedruckten, sondern handbeschriebene Seiten sah, wusste ich, dass dieses Buch heiliger war als irgendein sakraler Text. Es schien in meinen Händen zu pulsieren, als sei es lebendig und nicht ich.
    Drei Tage vor der

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