Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
vorstellen, was die Familie von mir denken würde? Kannst du dir vorstellen, was es für Tara bedeutet? Du würdest doch nicht wollen, dass sie es liest, oder, Matt? Ich weiß, du hältst große Stücke auf sie.«
Ich griff in die Tasche nach meinem Telefon, um ihr Geständnis aufzunehmen, aber meine Finger fassten in Stoff, und vor meinem geistigen Auge sah ich das Telefon am Ladegerät in meinem Auto. Ich war wütend über mich selbst. » Wenn du es gelesen hast, weißt du, wie leid es mir tut«, sagte sie. » Du weißt, ich wollte nicht, dass sie sterben.«
Das ließ mich stutzen. » Sie? Nur meine Mutter ist gestorben. Nur Heather Kellaway.«
» Ja, und dann war da noch der Junge«, murmelte sie.
Ich rieb mir die Stirn. Sie war doch nicht mehr bei V erstand– obwohl sie in gewisser W eise recht hatte: Sie hatte Darcy Kellaway umgebracht und Matt Rider in die W elt gezwungen.
» Nein, du dummes Dreckstück, ich bin der Junge«, platzte ich heraus, aber Lydias Augen waren geschlossen, ihr Mund hing offen, und vor dem Fenster der Klarheit wehte unvermittelt der V orhang des Schlafs.
Felix und Rowan kamen zurück. Sie hatten Starbucks-Becher in der Hand und Tüten mit Sandwiches. Ihre Gesichter sahen eingefallen aus. Ich ließ das Buch gerade noch rechtzeitig in meinem Plastikbeutel verschwinden.
Draußen auf dem Korridor klammerte ich mich an das Positive. Durch eigene Nachlässigkeit hatte ich das Geständnis nicht aufgezeichnet. Aber Lydia hatte die Existenz ihrer Tagebücher bestätigt und mich praktisch zu ihrem Hüter ernannt. Es war, als habe sie mir ihren Segen gegeben.
SIEBENUNDDREISSIG
Ich lag auf jungfräulichen Laken. Der V an-Gogh-Druck mit der Baumblüte hatte der Jahreszeit entsprochen, als ich ihn damals im Mai aufgehängt hatte. Jetzt waren die weißen Blüten und der blaue Himmel nur eine weitere Erinnerung daran, wie lange es schon her war, dass ich die W ohnung gekauft hatte. W äre Lydia nicht krank geworden, wäre Kerry inzwischen hier und würde unter meiner Aufsicht Felix bearbeiten. Es war unfair, wie sich die Situation immer wieder veränderte.
Ich fuhr jeden Tag ins Krankenhaus, und mein Telefon war immer geladen in meiner Tasche und so eingestellt, dass es auf Tastendruck anfing aufzuzeichnen. Ich hatte inzwischen entschieden, dass ich sie, falls nötig, vor der Familie zu einem Geständnis zwingen würde. Aber diese Rede, die ich ihr entlockt hatte, war nach allem, was ich wusste, die letzte, die sie je hielt. Ihr V erstand war jetzt eine verwüstete Bibliothek von zusammenhanglosen Satzbruchstücken. Im W irrwarr ihrer W orte war aber ersichtlich, dass sie Not litt, und die Familie meinte, dieser Zustand habe einige Tage zuvor eingesetzt. Es musste also an mir liegen, und das spendete mir Trost.
Es gelang mir nicht, noch einmal mit ihr allein zu sein, aber wir brachten eine letzte private V erbindung zustande. W ährend Lydias Familie murmelnd um sie herum saß, richteten ihre Augen sich plötzlich scharf auf die meinen, und in ihrem Blick lag ein Flehen, das W orte nicht hätten vermitteln können. Ich vertraue darauf, sagte dieser Blick, dass du meine Familie beschützt und diese Bücher vernichtest. Ein zweites Flehen bat um ein beruhigendes Lächeln, um irgendein Signal von mir, mit dem ich ihr versprach zu tun, was sie wollte, und ihr Geheimnis zu bewahren. Ich verzog keine Miene. Ihre Augen zuckten wild hin und her. W ar es Panik oder W iedererkennen oder beides? Dann floss ein Quäntchen Morphium in ihre Adern, und sie dämmerte wieder weg. Eine Kraft, die stärker war als ich, zog meine Mundwinkel nach oben, und ich musste das Zimmer verlassen.
» Ich habe die Sachen für deine Umsatzsteuererklärung bekommen«, sagte Rikesh. Ein untypisches Zögern in seinem Ton beunruhigte mich.
» Alles okay?«, fragte ich.
Er lachte gezwungen. » Das wollte ich dich fragen, ehrlich gesagt. Ich glaube, du hast mir da versehentlich was geschickt. Ein Spreadsheet, das mir nicht viel sagt, aber da stehen ein paar sehr merkwürdige Sachen drauf. Eine Art von… als ob du jemanden beobachtest. Und du hast ein paar Ausgabenbelege von einem Spionage-Shop geltend gemacht, was immer das sein mag. Hast du neben deinen zahlreichen anderen Begabungen jetzt auch noch dein Talent als Privatdetektiv entdeckt?«
Meine Eingeweide rumorten, als säße ich in einem Auto, das zu schnell fuhr. » Ach, das. Das ist nur… Ich habe mir einen Spaß gemacht. Das muss man nicht ernst nehmen. Nur so…
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