Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
machen?«, fragte Kerry.
» Ich muss auf der Post sein, bevor der Schalter schließt«, sagte ich. » Das hier muss per Einschreiben verschickt werden.«
» Und dann kommst du wieder?«
» Kerry, hast du zugehört , als ich dir erzählt habe, was in Saxby los ist? W ir sind in einer entscheidenden Phase. Sie könnte jeden Augenblick sterben, und ich weiß nicht, was in diesen Tagebüchern steht; ich habe kein Geständnis von ihr, ich weiß nicht, ob ich ihr sagen soll, wer ich bin oder was. Hast du eine Ahnung von dem Stress, unter dem ich gerade stehe?«
» Ich weiß, was gut für dich ist, wenn du Stress hast.« Sie schob sich an mich heran, ließ meinen Hausmantel von ihren Schultern gleiten und legte eine Hand in den Schritt meiner Jeans. Ich schüttelte sie ab. Manchmal fühlte sie sich an wie eine Plastiktüte, die man mir über den Kopf gestülpt hatte.
» Hör zu, Kerry. Die Sache ist wichtig«, sagte ich. » Ich dachte, ich hätte deine Unterstützung dabei.«
» Hast du doch!«, rief sie, aber ich hatte die Akte unter dem Arm und war schon halb draußen. » Komm zurück! Bitte, Matt, ich hasse es, allein hier zu sein, bitte komm zurück! Es ist doch nur, weil du mir fehlst. Bitte! Komm zurück!«
Verglichen mit Kerry, dachte ich manchmal, war das Leben mit Tara beinahe entspannend. Sogar an meiner Ehe war Lydia MacBride schuld. Immerhin war sie es, die uns zueinander geführt hatte.
Ich stand hinter dem Schutzdach an der Bushaltestelle vor dem W ellhouse Hospital. Das leere Tagebuch, das ich aus Taras Bücherregal geklaut hatte, steckte in einer Supermarkttüte zu meinen Füßen. Es war ein verzweifelter Bluff, aber etwas anderes fiel mir nicht ein. Hatte Lydia nicht vor Jahren geschrieben, dass alles, was sie je empfunden hatte, irgendwann in ihrem Tagebuch landete? W arum sollte ich dann nicht den einzigen Eintrag, auf den es mir ankam, beschleunigen?
Ich sah, wie Tara und Sophie ihren V ater zum Abschied vor dem Krankenhaus umarmten. Rowan verschwand wieder in der Cafeteria neben der Klinik, und durch das große Fenster sah ich, wie er sich an einer langen Schlange anstellte. Ich verließ mein V ersteck und rannte auf die Onkologiestation. Felix öffnete mir die Tür.
Im Zimmer roch es nach Galle und nach Fleisch, das bereits in V erwesung überging. Der Geruch brachte mich mit Macht zurück in unsere W ohnung in der Old Saxby Road, wo meine Mutter auf dem Rücken lag. Der Tod war in diesem Zimmer, so sicher, als säße er auf einem der leeren Stühle neben Lydias Bett.
» Du hast Tara verpasst«, sagte Felix. » Sie und Sophie sind gegangen, um alle von der Schule abzuholen.«
» Oh, okay«, sagte ich. » Felix, geht’s dir gut? Du siehst selbst ein bisschen blass aus. W arum gehst du nicht ein bisschen an die frische Luft?«
» Ich möchte sie nicht allein lassen«, sagte Felix.
» Sie ist ja nicht allein«, sagte ich. » Ich bin bei ihr. Na los. Du bist sehr blass.«
» Ja, vielleicht könnten zehn Minuten frische Luft nicht schaden. Ich gehe Dad suchen; ich glaube, er wollte Kaffee trinken. Soll ich dir auch einen mitbringen?«
» Nein, ich brauche nichts.«
» Bis dann, Matt«, sagte Felix und tätschelte meinen Arm beim Hinausgehen.
Lydias Haar war um das Gesicht herum ausgewachsen und hatte sie vorzeitig und irrtümlich in einen Engel verwandelt. Ihr Blick ging unfokussiert über mein Gesicht, aber als sie das Buch sah, wurde sie völlig klar, als enthalte die Kochsalzinfusion an ihrem Arm kein Morphium, sondern Adrenalin. » Woher hast du das?«, fragte sie, und mich durchströmte es ähnlich: Ich hatte einen Nerv getroffen. W as immer sonst heute passierte, ich hatte zumindest die Bestätigung, dass noch irgendwo ein Tagebuch existierte. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass es ein Bluff war.
» Ich musste ein paar Sachen für Rowan abholen«, sagte ich. » Es lag einfach da herum.« Sie tastete nach dem Knopf, der das Kopfteil anhob. » Lydia. Ich kann dir nicht sagen, wie enttäuscht ich war, als ich das gelesen habe. Ich hätte nicht gedacht, dass du so grausam sein kannst.«
» Ach, zum Teufel«, sagte sie, und ihre Hände wurden schlaff. » Ich weiß nicht, warum ich das aufgeschrieben habe. Ich wollte es vernichten, und ehe ich mich versah, bin ich hier wieder aufgewacht. Zerreiß es, Matt. Schaff es weg.«
» Ich kann mir denken, dass du es nicht veröffentlicht haben willst.«
» Vom V eröffentlichen ist ja keine Rede«, sagte sie. » Aber kannst du dir
Weitere Kostenlose Bücher