Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
Patricios regelmäßig Besuche ab, und auf Anweisung von General Scott, der über ihre gesellschaftliche Stellung in Kenntnis gesetzt worden war, wurde ihr von den Gefängniswärtern alle Ehrerbietung entgegengebracht. Sie hatte jedem San Patricio im Acordada die Hand geschüttelt und dafür gesorgt, dass sie täglich üppige Portionen Fleisch zu essen bekamen. Sie war es, die dafür gesorgt hatte, dass sie mit Pritschen und Matratzen ausgestattet wurden. Und weil sie eine freiheitlich gesinnte Frau war, die die Bedürfnisse von Männern durchaus verstand, schickte sie einen Emissär zu General Scott mit einer besonderen Bitte. Scott hatte bereits ohne viel Aufheben dem halben Dutzend verheirateter San Patricios dasselbe Recht auf ehelichen Besuch eingeräumt, das das mexikanische Gesetz den eigenen Häftlingen gestattete. Jetzt bat Señora del Castro, dass er den unverheirateten Patricios ein vergleichbares Recht auf intime Beziehungen mit ihren Liebchen einräumte oder, in Ermangelung eines solchen, mit einer Dame des Gewerbes. Sie selbst würde sich um die Bereitstellung der Frauen kümmern und sämtliche mit ihren Besuchen verbundenen Kosten tragen. Als er erfuhr, dass derartige Liebesprivilegien von den mexikanischen Strafbehörden gewohnheitsmäßig geduldet wurden, zuckte Scott die Achseln und fügte sich der Bitte der Señora. Die mexikanischen Zeitungen begrüßten ihre Bemühungen um eine zivilisiertere Behandlung der San Patricios, doch die amerikanische Presse verurteilte Scott, weil er, indem er diese unmoralische mexikanische Praxis gestattete, es mit seiner übermäßigen Güte gegenüber den Verrätern wirklich zu weit treibe.
Eines Morgens präsentierten sich drei Männer – zwei Amerikaner und ein Mexikaner, alle drei in gut geschneiderten Geschäftsanzügen – an ihrer Tür und setzten den Mayordomo darüber in Kenntnis, dass sie eine Audienz bei Señora del Castro wünschten. Sie behaupteten, Freunde der San Patricios zu sein und über diese etwas zu wissen, was die Señora von großem Interesse finden könnte. Der Mayordomo bat sie zu warten, und während er fort war, fragten sie sich, ob er vielleicht die Behörden benachrichtigte, um sie als Eindringlinge oder Schlimmeres verhaften zu lassen. Dann erschien er wieder und führte sie höflich in den Salon, wo die Señora sie erwartete. Sie musterte die beiden Amerikaner mit unverhohlenem Misstrauen, doch bat alle drei Platz zu nehmen und ließ einen Bediensteten Tee einschenken. Der Mexikaner führte das Wort im Namen der Besucher, bediente sich seines förmlichsten Spanischs, obwohl allseits bekannt war, dass die Señora ein makelloses Englisch sprach. Er stellte sich als Captain Jorge Amado vor, und seine beiden Freunde als Lieutenant James Walker und Korporal William Meese. Alle drei vom San-Patricio-Bataillon, glückliche Überlebende, die der Gefangennahme bei Churubusco entgangen seien und sich jetzt unter Santa Annas direktem Befehl befanden, um die Einheit so schnell wie möglich für eine mögliche Wiederaufnahme von militärischen Aktionen gegen die Yankees umzuorganisieren.
Die Señora war höchst erregt über diese Enthüllung, und es folgten viele Bekundungen gegenseitiger Bewunderung, seitens der Señora für den mutigen Kampf der San Patricios bei der Verteidigung Mexikos, und aufseiten der Männer für die Großzügigkeit der Señora gegenüber ihren inhaftierten Kameraden und für ihre glühende öffentliche Unterstützung ihrer Organisation. Die Amerikaner entschuldigten sich für ihr grauenhaftes Spanisch, doch die Señora wischte ihre Worte mit einer Handbewegung beiseite und sagte auf Englisch: »In der Sprache der Tapferkeit sind Sie beide in höchstem Maße fließend.«
Die Besucher kamen alsbald zur Sache. Ihre neue Einheit sei beinahe vollständig und begierig, ihre Einsätze gegen die amerikanischen Nachschublinien zwischen der Hauptstadt und Veracruz wieder aufzunehmen, aber ihnen fehle ein Sprengstoffexperte. Der beste Sprengstoffmann, den sie kannten, befinde sich jetzt unter den Gefangenen im Acordada. Obwohl es natürlich absolut keine Möglichkeit gäbe, sämtliche ihrer gefangenen Kameraden zu befreien, sei es vielleicht doch möglich,
einem
die Flucht zu ermöglichen. Das sei der Grund, warum sie zu ihr gekommen waren. Wenn sie gewillt wäre, könne sie ihrem Land einen großen Dienst erweisen.
Aber natürlich sei sie gewillt! Man möge ihr nur sagen, was sie tun solle.
Kaum eine Stunde später brachte der
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