Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
Mayordomo ein halbes Dutzend Männer zu ihnen, die der Beschreibung weitgehend entsprachen, die der jüngste der drei Patricios gegeben hatte, der mit dem entstellten Gesicht, der an einem Stock ging und ein schwarzes Kopftuch um den Schädel trug. Die sechs Männer wurden vor diesem jungen Mann aufgestellt, der jeden der Reihe nach eingehend musterte, bevor er seine Wahl traf. Die Señora lächelte und nickte. Wie jeder andere in ihrem Personal war der Auserwählte namens Luis ihr vollkommen ergeben und würde alles tun, was sie verlangte.
17 Edward war bereits mehrere Male zum Alameda-Park gegangen und hatte zum Acordada auf der anderen Straßenseite hinübergestarrt und über der Notlage seines Bruders gebrütet, aber er hatte ihn noch nicht besucht. Er fühlte sich verantwortlich für Johns Situation. Er war sich sicher, dass sein Bruder nicht freiwillig zur Army gegangen war, also musste er in New Orleans dazu gezwungen worden sein. Wären sie zusammengeblieben, wäre das nicht passiert – oder wenigstens wären sie gemeinsam zwangsrekrutiert worden. Aber er hatte seinen Bruder in Dixie-City im Stich gelassen, und John war zum Dienst gezwungen worden. Und war dann desertiert. Dann hatte er sich aus irgendeinem verfluchten Grund den Mexikanern angeschlossen und war dafür knapp der Hinrichtung entronnen. Aber er war ausgepeitscht und gebrandmarkt und ins Gefängnis gesperrt worden, und Edward hatte das Gefühl, dass er ihm nicht unter die Augen treten konnte, ohne ihm irgendein Sühneopfer darzubringen.
Am Morgen nachdem er mit Dominguez und Spooner die Señora del Castro aufgesucht hatte, ging er in seiner Uniform der Spy Company zum Acordada und präsentierte sich dem Offizier der Wache als Sergeant Edward Boggs von General Scotts Life Guards und sagte, er wolle John Little sprechen, einen ehemaligen Kameraden der Fünften Infanterie, der unter Umständen wusste, was aus einigen alten gemeinsamen Freunden geworden war. Ihm wurde Einlass gewährt, und er stieg mit seinem steifen Bein mühsam die Treppe zum ersten Stock hinauf und wurde durch die vergitterte Tür auf den Treppenabsatz gelassen. Dann durfte er bis zu den Eisenstangen gehen, die die Gemeinschaftszelle der Gefangenen abtrennte. Der schwere Holzboden war sauber gefegt und glänzte in dem sanften gelben Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster fiel. Die Besuchszeit begann früh, und es standen schon einige Dutzend Menschen an den Stangen – Ehefrauen und Freundinnen, Reporter, mexikanische Anwälte. Im Raum summte es von leiser Unterhaltung. Die Gefangenen würden erst in einer Stunde auf den Hof gelassen, und von verschiedenen Feuerschalen innerhalb der sauber aufgeräumten Zelle drang der Duft von Kaffee und gegrillten Chorizos und gebratenen Eiern. Er überflog die Zelle, als er an die Stangen herantrat, konnte John aber nicht entdecken. Männer spielten Karten, lasen Zeitung oder unterhielten sich in kleinen Gruppen oder standen einfach bei den sonnendurchfluteten Fenstern stumm da und starrten hinaus auf die Welt dahinter.
Er nahm einen Platz bei den Stangen ein, der ihm den größten Freiraum gab. Ein paar Schritte zu seiner Linken flüsterte eine Mexikanerin einem San Patricio zu, der mürrisch zuhörte. Zu seiner Rechten stand ein Anwalt in einem teuren Anzug mit einem Stapel juristischer Dokumente unter dem Arm und unterhielt sich murmelnd mit einem Gefangenen, dessen Backen von Wangenknochen bis Kiefer enthäutet waren. Edward erkannte John Riley. Er hatte sich die Haut von seinem Gesicht gekratzt, um sich der Brandmarken zu entledigen.
»Der hat mal
Handsome
Jack geheißen.«
Die ersten Worte, die Edward außer in seinen Träumen seit einer verregneten Nacht in New Orleans vor einer Ewigkeit von seinem Bruder hörte. John stand an den Stangen und betrachtete ihn, musterte lächelnd seine Uniform. Die D-Brandmarke war dunkelrot verkrustet, und auf seiner anderen Wange trug er eine sichelförmige Narbe. Seine Augen waren dunkle Höhlen. Er betrachtete den Stock in Edwards Hand, die entstellte Wange, das Kopftuch, das unter seinem schwarzen Hut hervorlugte. »Bist wohl auch ein paar Mal fast draufgegangen, wie’s aussieht.«
»Genauso fast wie du, schätz ich.«
Sie sahen sich lange an.
»Hör zu«, sagte Edward. »Maggie ist tot.« Er hatte vorgehabt, es ihm später zu sagen, wenn die Umstände besser waren, aber er hatte plötzlich das Bedürfnis, etwas von Bedeutung zu sagen, und das war das, was ihm in diesem Moment in den Sinn
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