Das Böse in dir
Vorstellung. Und einmal bei uns zu Hause zum Essen. Er ein netter Junge.«
»Also verstanden er und Li sich gut?«
»Ja, sie sagt, er gut, aber viel Pech gehabt.«
Okay, Zeit Nägel mit Köpfen zu machen und das Thema einzukreisen. »Hat sie erzählt, was für ein Pech das genau war?«
»Sie sagt, er keine gute Familie wie Li. Sie sagt, er nicht gut mit Mutter und Vater.«
»Es ist schrecklich, wenn man nicht gut mit Mutter und Vater«, mischte Mrs He sich ein. »Li sagt, sein Vater redet am Telefon mit ihm, aber seine Mutter ihn hasst. Sie sagt, er hier drin Schmerzen.« Sie wies auf ihr Herz. »Li versucht, ihm zu helfen.«
»Hat sie erwähnt, warum er sich nicht mit seinen Eltern versteht?«
»Li sagt, sie gegen Pizzahaus, und das gefällt ihm nicht. Sie sagt, Eltern wollen, dass er wird Anwalt. Aber er lieber kocht und hat Haus für Essen.«
»Ist Li Michaels Eltern je begegnet?«
»Sie sagt, sie war einmal im Haus. Es ist wie Palast. Sie sagt, nicht gemütlich Haus.«
»Ist ihr an der Familie Murphy etwas Seltsames oder Zweifelhaftes aufgefallen? Oder an Michaels Gewohnheiten?«
Diesmal schüttelte Mr Li den Kopf. »Sie sagt, er will China kennenlernen und hinfahren und vielleicht Pizzahaus aufmachen. Sie sagt, er will ganz weit weg und nie zurückkommen.«
»Das schlecht«, ließ sich Mrs He vernehmen. »Schlechtes Omen, wenn Sohn Familie hasst. Wir weit weg von zu Hause, aber immer zusammen.«
Im nächsten Moment fiel Mrs He ein, dass sie eigentlich nicht zusammen waren, weil Li ja vermisst wurde. Sie senkte den Kopf. Ich spürte, wie eine düstere Vorahnung mir widerlich die Kehle hinunterrutschte und sich in meiner Magengrube festsetzte.
»Sie nicht wissen, was mit Li?«, fragte Mr Li.
Ich sagte ihm die Wahrheit, es ging einfach nicht anders, auch wenn ich einige Fakten lieber für mich behielt. »Noch nicht. Aber die Polizei von Springfield tut alles, um sie zu finden. Und ich verspreche Ihnen, dass ich sie dabei nach Kräften unterstützen werde.«
Als die beiden zufrieden nickten, kam ich mir vor wie eine elende Lügnerin. Es krampfte mir den Magen zusammen, und alles in mir schrie, dass Li das Mädchen im Ofen sein musste. Doch ich wollte es nicht glauben. Denn ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, ihnen zu erklären, auf welche grausige Weise ihre geliebte Tochter zu Tode gekommen war. Geschweige denn, dass ich ihnen ihr seltsames Verhalten schildern wollte, das zu ihrem Ende geführt hatte. Wie gerne hätte ich das Gespräch abgebrochen und mich aus dem Staub gemacht, doch dann fielen mir das blaue Perlenarmband und der geheimnisvolle Schlüssel ein. Also holte ich beides aus meiner neuen roten Grace-Kelly-die-NICHT-aussieht-wie-ich- Krokotasche, für die angeblich eine ellenlange Warteliste existierte, weshalb sie bei eBay sicher großen Anklang gefunden hätte. Nicht, dass ich an einer Fixierung auf diese Tasche leiden würde, Ehrenwort.
»Ach, noch etwas, wissen Sie vielleicht, was das für ein Armband ist?«, fragte ich.
Als die beiden gleichzeitig nickten, fühlte ich mich an zwei bemalte chinesische Marionetten erinnert. »Das Böse-Blick-Armbänder. Li hat viele. Ihr Freund auch.«
»Können Sie mir sagen, woher sie sie haben?«
Wieder nickte Mrs He bejahend. »Li sagt, ist aus Khur-Vays Studio und Geschenkshop in Hauptstraße. Madam Khur-Vay unterrichtet Yoga und Bauchtanz.«
Das war wirklich eine spannende Kombination. Aber vermutlich musste man auch zum Bauchtanzen gelenkig sein. Außerdem war der Name Khur-Vay schon einmal gefallen, und zwar während meiner Gespräche in der Klinik. Mr He gab mir den Schlüssel in seinem Plastikbeutel zurück. Fehlanzeige.
»Wissen Sie, warum sie Böse-Blick-Armbänder heißen?«, erkundigte ich mich.
Beide schüttelten den Kopf. Sie waren wirklich ein perfekt aufeinander eingespieltes Team, fast so gut wie Bud und ich. Dad verdarb den synchronen Eindruck, indem er zusätzlich mit den Schultern zuckte. »Wir nicht haben in China. Madame Khur-Vay kann es Ihnen erklären. Sie Lis Freundin.«
Nun, das war endlich einmal eine gute Nachricht in einem Fall, der in dieser Hinsicht ansonsten ein wenig schwach auf der Brust war. Möglicherweise sollte ich mir eine oder zwei Bauchtanzstunden gönnen. Yoga konnte ich schon.
»Vielen Dank, Mr He, Mrs He. Sie waren mir eine große Hilfe. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald ich etwas Neues über Li weiß.«
Sie standen auf und verbeugten sich gleichzeitig, ein sehr höfliches Paar. Ich
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