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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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der Bühne gesehen.
    Der Ninja klopfte und kündigte uns erst auf Chinesisch, dann in einem mit starkem Akzent behafteten Englisch an. Beim Eintreten graute mir vor dieser Begegnung mehr als vor einer Dosis Strychnin. Black, der hinter mir stand, empfand vermutlich das gleiche Widerstreben. Li Hes Eltern saßen nebeneinander auf einem kleinen, elegant mit Damast bezogenen Sofa an einer Ende des kleinen Raums. Das Sofa hatte die Farbe einer reifen Aubergine. Die Wände waren rot. Überhaupt waren die meisten Gegenstände in diesem Theater entweder auberginenlila oder rot, offenbar Farben, die in China Glück brachten. Außerdem gab es hier einen niedrigen schwarz lackierten Couchtisch und ein Bücherregal an der Wand, auf dessen obersten Brett ein kleiner Fernseher stand, und einen Schminktisch, lang genug, dass sich beide mit Make-up bekleistern konnten. Darüber hing eine Leiste mit vielen leuchtenden Glühbirnen. Die beiden Artisten waren noch geschminkt und trugen ihre rotgelben Satinkostüme. Aus der Nähe wirkten sie noch kleiner als auf der Bühne. Allerdings wirkte jeder klein, wenn Black im Raum war.
    »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte Li Hes Vater auf Englisch, jedoch mit starkem Akzent. Als die beiden uns weiter musterten, sahen ihre Gesichter wegen der starken Schminke gespenstisch aus. Ich hatte das Gefühl, mit zwei japanischen Geishas zu sprechen. Oder mit Bozo, dem Clown, im Doppelpack.
    Wir setzten uns auf zwei schwarze Korbstühle, die ein wenig schwächlich geraten schienen. Der von Black ächzte unter seiner Größe und seinem muskulösen Körperbau. Ich zeigte den beiden meine Dienstmarke, eine Höflichkeitsgeste, allerdings eine, die normalerweise Türen und Münder öffnete. Ergebnis war jedoch nur, dass sie mich ängstlich anstarrten. Ich lächelte, um ihnen zu zeigen, dass ich nicht bissig war. »Ich bin Detec­tive Claire Morgan aus Canton County in Lake of the Ozarks«, sagte ich. »Das ist etwa eine Stunde nordöstlich von hier. Und das ist Nicholas Black.«
    Offenbar gefiel Black meine zusammengekürzte Personenbeschreibung nicht, aber Pech gehabt. Was hätte ich denn sagen sollen? Das ist mein wundervoller und überaus ausdauernder Liebhaber? Oder vielleicht mein schwerreicher Gönner?
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte Papa Clown mit starkem chinesischem Akzent. »Haben Sie Neuigkeiten von unserer Tochter Li?«
    »Wissen Sie, wo Li ist?« Mama Clown beugte sich vor und musterte mich forschend. Die weiße Theaterschminke und die schwarz umränderten Augen brachten mich ein wenig aus dem Konzept, da ich mich fühlte, als würde ich von zwei Außerirdischen angestarrt. Ihr Alter konnte ich schwer schätzen, nicht sehr alt, glaubte ich, Mitte vierzig vielleicht.
    Ich hoffte sehr, dass es nicht ihre Tochter war, die ich gefunden hatte, gab dieses kleine Detail jedoch nicht preis. Noch nicht. »Ich fürchte, ich kann Ihnen, was das Verschwinden Ihrer Tochter angeht, nicht viel Neues sagen, Mrs He. Allerdings möchte ich Ihnen ein paar Fragen über einen Freund von ihr stellen. Als wir Lis Zimmer an der Missouri State durchsucht haben, haben wir in ihrem Adressbuch den Namen eines Mannes entdeckt. Dieser Mann spielt eine Rolle in einem Fall am See, in dem wir derzeit ermitteln. Deshalb haben wir gehofft, Sie könnten uns vielleicht etwas über seine Beziehung zu Ihrer Tochter erzählen. Er heißt Michael Murphy. Kennen Sie ihn zufällig?«
    Mom ergriff wieder das Wort. Sie hatte einen noch stärkeren Akzent als Dad.
    »O ja. Er guter Freund von Li. Sehr gut. Er trifft sich mit ihr zu …« Sie suchte nach dem richtigen Ausdruck; offenbar war ihr Wortschatz geringer als der ihres Mannes. »Date, nennt man das so?«
    Ich nickte. »Also sind Li und Michael Murphy miteinander gegangen. Wie lange lief das schon? Wissen Sie das?«
    »Sie hat ihn sehr gern«, verkündete Mr He. Er hielt die Hände etwa einen Meter auseinander, wie um das Ausmaß ihrer Zuneigung zu verdeutlichen. »Li geht oft zu ihm in sein Pizzahaus, isst dort. Sie ihn kennt von Feier zu Ihrem Neujahr.«
    Gut, dann war sein Englisch also auch nicht viel besser als ihres. Außerdem kristallisierte sich immer mehr heraus, dass Li tatsächlich unser Opfer war. Ich schluckte kräftig und versuchte, meine Trauer zu unterdrücken. Black schwieg. Die Hes beobachteten abwartend mein Gesicht, während ich versuchte, mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen.
    »Haben Sie Michael Murphy je kennengelernt, Mr He?«
    Er nickte. »Er dreimal in

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