Das Böse in dir
Karten für die erste Reihe reservieren.« Mir gefiel der Vorschlag, der es mir außerdem ermöglichte, das Gespräch mit den Eltern hinauszuschieben. Und so gingen wir hinein und ins Bett und hatten jede Menge Spaß.
Später, nach dem Mittagessen, zog ich die Sachen – saubere Jeans und ein dunkelgrünes T-Shirt mit Remington-Logo auf der Tasche – an, die ich in einem Lederrucksack in Blacks Hubschrauber aufbewahre, nur für den Fall, dass er mich überraschend irgendwohin entführt. Wir ließen den gemieteten Lincoln vorfahren und machten uns auf den Weg zur Amüsiermeile von Branson, Missouri. Draußen war es vierzig Grad heiß und teuflisch schwül, und ich wünschte, ich hätte Shorts anstelle der Jeans an Bord gehabt.
Überall, ja, wirklich überall, wohin das Auge blickte, wimmelte es von Touristen. Sie hasteten über die belebten Straßen oder standen Schlange vor den zahlreichen Theatern. Viele Familien mit Kindern im Grundschulalter, Rentner und verliebte junge Pärchen, die Händchen hielten, sich küssten – und noch mehr. Am liebsten hätte ich ihnen geraten, sich an uns ein Beispiel und ein Zimmer zu nehmen. Black quälte sich durch den Verkehr und murmelte Beschimpfungen auf Cajun, als der Mensch im Auto vor uns die grüne Ampel verpasste, weil er gerade in einer Broschüre las. Das Theater, das wir suchten, war nicht weit vom Chateau entfernt, was wir allerdings nicht wussten, weshalb wir uns wegen Blacks angeblicher Abkürzung kilometerlang durch den Stau kämpften. Kein Wunder, dass er einen Humvee fuhr und sich ansonsten meistens in einer Limousine chauffieren ließ.
Da der Parkplatz vor dem großen weißen Theater, in dem die Beijing Acrobatic Troupe auftrat, brechend voll war, wunderte es mich, wie Black in letzter Minute Karten für die erste Reihe hatte ergattern können. Allerdings hatte Black so seine Methoden, zu kriegen, was er wollte, weshalb ich mir die Frage sparte. Jedenfalls schien die Truppe ausgesprochen beliebt zu sein.
Wir hasteten durch die sengende Sonne zur Eingangstür, um uns vor dem grellen Schein in den Schatten zu flüchten. Eine doppelflüglige, von zwei großen, furchterregenden Hunden aus Stein flankierte Tür führte uns ins zum Glück wohltuend klimatisierte Innere des Gebäudes. Das Foyer war die Miniaturversion eines prunkvollen chinesischen Palasts in der Verbotenen Stadt oder an einem ähnlich geheimnisvollen und prächtigen Ort, allerdings mit Kasse, einem kleinen Souvenirladen in der Ecke und kräftigem Popcorngeruch in der Luft. Vor der Vorstellung bummelten wir ein wenig umher und bewunderten die gewaltigen, wasserballgroßen roten Laternen, die an der Decke hingen, die zahlreichen roten, schwarzen und weißen orientalischen Masken an den Wänden, die mit aufgemalten Drachen verzierten Elfenbeinfächer, den übrigen Nippes und den kleinen singenden Felsen, der eine staunende Zuschauermenge anzog. Offen gestanden war es ziemlich beeindruckend. Das fand sogar ich.
Black ging los und kaufte mir ein kleines Jadearmband, an dem eine winzige chinesische Münze hing. Es kostete 18,85 Dollar und brachte angeblich Glück. Genau das, was ich brauchte. Black hatte die Angewohnheit, mir Glücksbringer zu schenken, und zwar mit gutem Grund. Ein Jammer nur, dass sie normalerweise nicht wirkten.
Das Armband erinnerte mich an die des armen Mikey. Doch als ich das Perlenarmband vom Tatort aus meiner fantastischen und heiß begehrten roten Grace-Kelly-Krokotasche von Hermès angelte und es der lächelnden Asiatin mittleren Alters hinter der Theke zeigte, schüttelte sie den Kopf und teilte mir in gebrochenem, kaum verständlichem Englisch mit, dass sie so etwas nicht führte. Allerdings war ich nicht sicher, ob sie meine Frage oder ich ihre Antwort auch richtig verstanden hatte. Leider sprach Black auch nicht fließend Mandarin, weshalb er mir keine Hilfe war.
Wir durchquerten das Foyer und betrachteten die Wand voller großer Farbfotos, die berühmte Sehenswürdigkeiten in China darstellten. Die Chinesische Mauer, die Verbotene Stadt und, erstaunlicherweise, den Platz des Himmlischen Friedens, was ich nicht unbedingt für einen gelungenen Werbeschachzug hielt.
»Weißt du was? Vielleicht würde ich gern einmal nach China fahren, um mir das alles anzuschauen«, meinte ich zu Black.
»Ich kümmere mich darum. Im Herbst ist es hübsch dort«, erwiderte er.
Ach, herrje, ich brauchte nicht einmal mit den Fingern zu schnippen. Mannomann, Dr. Nicholas Black war
Weitere Kostenlose Bücher