Das Böse in dir
denken. Soweit ich im Bilde bin, treten die Ermittlungen auf der Stelle.«
»So würde ich es nicht ausdrücken. Wir geben uns große Mühe, die Fakten zusammenzutragen.«
»Nun, es ist nicht viel, nur eine Kleinigkeit, die ich rein zufällig aufgeschnappt habe, und zwar beim Friseur. Ich gehe zu Cyd’s Hair and Nails, weil das der absolut beste Salon ist. Und während Cyd mir die Haare gerichtet hat, saß auf dem Stuhl neben mir eine Dame, die sich Strähnchen färben ließ. Sie und ihre Friseurin unterhielten sich über die ehemaligen Mitschüler ihrer Kinder und was inzwischen aus ihnen geworden ist. Die Dame sagte, sie sei in Branson gewesen und dort Sharon Richmond über den Weg gelaufen. Das hat mich sehr überrascht, denn ich dachte, sie sei schon vor langer Zeit nach Tennessee gezogen.«
Ich war nicht minder überrascht. »Ich verstehe. Hat sie gesagt, wo sie sie gesehen hat?«
»Ja, offenbar betreibt Sharon dort einen Laden. Einen ziemlich komischen, wie sie findet. Mit jeder Menge Räucherstäbchen, Kerzen und ähnlichen Dingen. Das Mädchen war schon immer ein wenig eigenartig und hat auch Drogen genommen. Ich war froh, als sie ging und Mikey in Ruhe ließ.«
Zuerst wollte ich es nicht sagen. Nein, wirklich nicht. Doch, ich tat es trotzdem. »Obwohl sie Ihrem Sohn so das Herz gebrochen hat, dass er in der Psychiatrie gelandet ist?«
»Tja, das war natürlich recht unerfreulich.«
»Haben Sie die Adresse des Ladens, Mrs Murphy?«
»Oh, daran habe ich gar nicht gedacht. Außerdem sollte es nicht aussehen, als hätte ich gelauscht.«
»Ich verstehe.«
»Aber ich habe aufgeschnappt, dass sie sich inzwischen anders nennt.«
Musste ich dieser Frau denn alles einzeln aus der Nase ziehen? Wo war die Brechstange, wenn ich eine brauchte? »Und sie heißt jetzt …?«
»Khur-Vay. Was das auch immer zu bedeuten hat.«
Oho. Das war eine Information, mit der ich eine Menge anfangen konnte. »Khur-Vay? Sind Sie sicher, dass das der Name war, Mrs Murphy?«
»Ja, Detective. Ganz sicher. Wer könnte so einen Namen vergessen?«
Ich ganz bestimmt nicht. Allerdings hatte die liebe kleine Miss Khur-Vay ihrerseits offenbar vergessen zu erwähnen, dass sie einmal mit Mikey zusammen gewesen war, etwas, worauf ich nie gekommen wäre. »Danke, Mrs Murphy. Sie haben mir sehr geholfen. Ich werde der Sache sofort nachgehen.«
»Nun, ich möchte Sie unterstützen, so gut ich kann. Joseph hat die Sache sehr schwer getroffen. Er war seitdem nicht mehr im Büro, aber Ed ist wirklich verständnisvoll.«
»Es freut mich, das zu hören. Wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte, rufen Sie mich bitte an.«
»Das mache ich.«
Nach dem Telefonat kramte ich Khur-Vays Visitenkarte aus den Tiefen meiner Handtasche hervor. Keine Privatadresse oder Telefonnummer, sondern nur die des Bauchtanzstudios. Ich wählte und wartete, während es sechsmal läutete. Dann meldete sich ein Anrufbeantworter mit Khur-Vays unverwechselbarer Stimme.
»Hallo, hier ist Khur-Vay. Leider ist mein Laden zwei Wochen lang geschlossen. Am 22. August bin ich wieder für Sie da. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Telefonnummer, wenn Sie sich für einen Kurs anmelden wollen. Wir sehen uns am 22.«
Ich fragte mich, wohin Khur-Vay wohl so plötzlich verschwunden war. Bei meinem Besuch hatte sie keine Urlaubsreise erwähnt. Argwöhnisch und, ja, auch verärgert wählte ich Harves Nummer.
»Hallo, Claire, wurde langsam Zeit, dass du dich meldest.«
»Glaubst du, du könntest mir eine Privatadresse und Telefonnummer beschaffen?«
Harve lachte auf. »Klar, nichts leichter als das.«
»Okay, es geht um eine Frau, die in Branson arbeitet. Ihr wirklicher Name ist Sharon Richmond, doch sie nennt sich Khur-Vay. Das schreibt sich K-H-U-R-Bindestrich-V-A-Y. Sie ist Inhaberin eines Bauchtanzstudios in der Hauptgeschäftsstraße dort. Ihren Highschoolabschluss hat sie in Jefferson City gemacht. Ich würde sie auf Mitte dreißig schätzen. Dunkles Haar, grüne Augen. Ungefähr einsfünfundsechzig, fünfzig Kilo, vielleicht auch weniger. Ich glaube, sie ist Asiatin, wenn nicht, hat sie zumindest eine große Schwäche für den Orient.«
»Dauert nicht lange.«
»Du bist ein Genie.«
»Ich rufe dich zurück. Gib mir etwa zehn Minuten.«
Ich klappte mein Telefon zu und sagte mir zum wohl millionsten Mal, wie praktisch es war, einen Computerfachmann unter meinen Freunden zu haben. Harves verschiedene Online-Firmen eröffneten ihm Möglichkeiten, die den meisten
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