Das Böse in dir
Wenn wir die Videos in die Finger bekommen, die zeigen, wie sie dich oder ihre Patienten manipulieren, kannst du sie wenigstens wegen einer beruflichen Verfehlung drankriegen.«
»Das müsste sich machen lassen.«
»Aber beeil dich.«
Ich setzte mich und starrte auf den dunklen Bildschirm. All das deckte sich zwar großartig mit gewissen Aspekten meines Falls, war jedoch kaum zu beweisen.
»Diesen Perversen knöpfe ich mir vor«, stieß ich mit vor Wut zusammengebissenen Zähnen hervor, als mir klar wurde, wie angreifbar ich war, wenn sich unsere Vermutung als richtig erweisen sollte.
»Und ich helfe dir, sofern ich den Kerl nicht zuerst mit bloßen Händen umbringe.«
Ich sah Black an, um festzustellen, ob das ein Scherz gewesen war. War es nicht.
Zweiundzwanzig
Am folgenden Nachmittag musste Black in Cedar Bend eine Notfallsitzung mit einem Patienten abhalten. Er ließ mich zwar nur ungern allein, hatte aber keine andere Wahl. Bud war in Fenton, um Dees dritte Mitbewohnerin, die noch immer verschwundene Melanie Baxter, zu suchen. Ich hatte Bud bei unserem Telefonat nichts von dem nächtlichen Zwischenfall mit den Darvocets erzählt, weil ich selbst nicht daran denken wollte. Allerdings bekam ich es einfach nicht aus dem Kopf. Wegen der Tabletten, die ich bereits intus gehabt hatte, hatte ich tief und traumlos geschlafen, als Black und ich endlich wieder zu Bett gegangen waren. Da mich die Situation jedoch noch immer ziemlich beunruhigte, beschloss ich, ins Büro zu fahren, mich an meinen Schreibtisch zu setzen, den Nachmittag in Gesellschaft von mindestens einem Dutzend bewaffneter Sheriffs zu verbringen und mich gründlich mit den bis jetzt ermittelten Fakten zu befassen, so wenige es auch sein mochten.
Die meisten Jungs machten gegen sechs Feierabend, und so war das Revier bis auf den Kollegen von der Nachtschicht am Empfang praktisch menschenleer. Als es draußen dunkel wurde, schaltete ich die Schreibtischlampe an und verfasste weitere Ermittlungsberichte im Mordfall Murphy, wohl wissend, dass mir bald eine Standpauke von Charlie blühen würde, wenn ich sie nicht endlich abgab. Außerdem las ich Cleos Autopsiebericht, eine wirklich amüsante Lektüre. Bald kam ich zu dem Schluss, dass der Täter keine belastenden Beweismittel hinterlassen hatte, über die ich stolpern konnte, falls unsere drei Opfer tatsächlich von einem ihrer Ärzte ermordet worden waren.
Die Kiste mit den Asservaten war unter meinem Schreibtisch versteckt. Als ich die Plastikbeutel mit Mikeys persönlicher Habe herausholte, fiel mein Blick auf den unbekannten Schlüssel. Ich nahm ihn, legte ihn vor mich auf die Schreibtischunterlage und musterte ihn. Niemand wusste, zu welchem Schloss er passte. Wir hatten Nachforschungen angestellt und jeden Menschen, den ich vernommen hatte und der möglicherweise über diese Information verfügte, danach gefragt. Fehlanzeige. Vielleicht sollte ich ja sämtliche Banken, Busbahnhöfe, Sportvereine und Fitnesscenter abklappern, um dort die Schlösser von Spinden und Schließfächern auszuprobieren. Das war zumindest eine verlockendere Aussicht, als hier grübelnd herumzusitzen. Ich steckte den Schlüssel vorsichtshalber in meine Handtasche.
Mein Mobiltelefon begann zu jubilieren. Ich schreckte zusammen, voller Angst, einer der Psychodocs könnte an der Strippe sein. Dennoch griff ich danach und klappte es auf, in der Hoffnung, Bud könnte sich mit guten Nachrichten wegen Li Hes verschwundener Mitbewohnerin melden. Doch er war es nicht. Auf dem Display leuchtete der Name M.F. Murphy auf. Die Eiszapfenmutti persönlich. Spitze.
»Claire Morgan.«
»Hier spricht Mary Fern Murphy.«
»Ja, Ma’am. Was kann ich für Sie tun?«
»Sie wollten doch, dass ich anrufe, wenn mir etwas zu Ohren kommt oder einfällt, das Ihnen bei Ihren Ermittlungen hilft.«
Ja, darum hatte ich sie tatsächlich gebeten.
»Tja, ich weiß nicht, ob es Sie weiterbringt, aber ich habe mich an etwas erinnert, was ich vor einigen Wochen gehört habe und was Ihnen vielleicht nützt. Vielleicht auch nicht. Es geht um eine der Exfreundinnen meines Sohnes. Diejenige, die Schluss mit ihm gemacht hat, wodurch das alles erst anfing.«
Ich spitzte die Ohren und richtete mich auf. »Sie meinen Sharon Richmond, richtig?«
»Ja, woher haben Sie ihren Namen?«
»Ich bedaure, aber ich darf Informationen wie diese nicht weitergeben, Mrs Murphy. Doch ich interessiere mich sehr dafür, was Sie mir zu sagen haben.«
»Ja, das kann ich mir
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